Berlin solidarisch mit Türkei

Außenminister Fischer in Ankara: Gemeinsam gegen Terror kämpfen

  • Lesedauer: 3 Min.
Wenige Tage nach den verheerenden Anschlägen in Istanbul hat Bundesaußenminister Joseph Fischer bei einem Besuch in der Türkei eine engere Zusammenarbeit Berlins und Ankaras beim Kampf gegen den Terror gefordert. »Schockiert« zeigte er sich von Äußerungen aus der Union, eine EU-Aufnahme der Türkei würde das Terrorproblem importieren.
Ankara (Agenturen/ND).Nach den Attentaten von Istanbul sei nun die Zeit der Solidarität, sagte Fischer am Montag in Ankara dem türkischen Nachrichtensender NTV. Der Terrorismus sei ein »gemeinsamer Feind«, gegen den gemeinsam vorgegangen werden müsse. Dabei sei der Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden von entscheidender Bedeutung. Die vier Bombenanschläge auf Synagogen und britische Einrichtungen in Istanbul, bei denen insgesamt 53 Menschen starben, hätten nicht nur auf unschuldige Menschen gezielt, sondern auch auf die Demokratie und die Freiheit. Fischer sagte, er sei »schockiert« gewesen, als er gehört habe, dass Unionspolitiker einen Zusammenhang zwischen den Anschlägen und der türkischen EU-Bewerbung hergestellt hätten. Bei dem kurzfristig anberaumten Besuch wollte sich Fischer am frühen Abend mit dem türkischen Außenminister Abdullah Gül treffen. Vor der Begegnung sagte Gül in einem BBC-Interview, die Türkei lasse sich »von terroristischen Organisationen« nicht die »Beziehungen mit unseren strategischen Partnern diktieren«. Wenn die Türkei eines Tages der EU beitrete, werde sich die »ganze Einstellung der islamischen Welt gegenüber dem Westen wandeln«. Seit 1999 zählt das Land am Bosporus zum Kreis der EU-Kandidaten. Nach Einschätzung von Präsident Ahmet Necdet Sezer wurde die Türkei wegen ihres »demokratischen und säkularen Systems sowie ihrer Modernisierungsbemühungen« zum Anschlagsziel. Ein Staatssicherheitsgericht wollte laut Presseberichten im Zusammenhang mit den Terroranschlägen Haftbefehl gegen insgesamt 19 Verdächtige erlassen. Zunächst wurden 15 der im Zusammenhang mit den Attentaten gegen britische Einrichtungen Festgenommenen einem Haftrichter vorgeführt, sagte der Gouverneur von Istanbul, Muammar Güler. Die Verdächtigen sollten wegen »Unterstützung einer terroristischen Organisation« angeklagt werden. Zu ihrer Identität wurden zunächst keine Angaben gemacht. Der Attentäter, der sich vor dem britischen Generalkonsulat in Istanbul in die Luft sprengte, sei inzwischen anhand von Erbgut-Tests identifiziert. In Deutschland war nach den Anschlägen eine innenpolitische Diskussion über den EU-Beitritt der Türkei entbrannt. Der Vize-Fraktionsvorsitzende der Union, Wolfgang Bosbach (CDU), warnte, mit einer schnellen Aufnahme der Türkei würde das »Terrorproblem importiert«. Bayerns Justizminister Günther Beckstein (CSU) sagte, bei der aktuellen Sicherheitslage sei ein schneller Beitritt »nicht in unserem Interesse«. Bundeskanzler Gerhard Schröder nannte die Äußerungen »völlig charakterlos«. Die Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe Claudia Roth (Grüne) sprach von »unsäglichen« Äußerungen. Am Montag setzten sich auch CDU-Politiker von Bosbach ab. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, Elmar Brok, sagte, er selbst sei gegenwärtig gegen eine EU-Mitgliedschaft der Türkei, »weil sie die politischen Kriterien nicht erfüllt«. Aber dies mit dem Terror zu verknüpfen, sei »negativ zu beurteilen«. Der Terrorismus sei ein »grenzüberschreitendes Phänomen«, unabhängig von den Orten der Anschläge. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm erklärte, er halte die Diskussion »für abwegig«. Es gehe darum, der Türkei zu helfen.
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