Null Wohnung in zehn Jahren

Grüne schlagen bestandssichernde Gesellschaft und Privatisierung des Rests vor

  • Karin Nölte
  • Lesedauer: 2 Min.
In spätestens zehn Jahren wird das Land Berlin keine einzige städtische Wohnung mehr besitzen, wenn dem jetzigen Agieren der landeseigenen Wohnungsunternehmen nicht entgegengesteuert wird. Das würde nicht nur gegen Berliner Verfassung und Bundeswohnraumförderungsgesetz verstoßen. Zugleich würde der Senat Darlehen verlieren, Bürgschaften zahlen und auch noch Insolvenzkosten übernehmen müssen. Denn die sieben Unternehmen sind schon heute mit insgesamt rund zehn Milliarden Euro verschuldet. Weshalb sie permanent unkontrolliert Wohnungen verkaufen, um sich wieder ein Stück aus dem Sumpf zu ziehen. Während der Senat gerade ein weiteres Mal versucht, die GSW zu verkaufen, legte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestern ein anderes Konzept vor: Einen »großen Einschnitt« in die Berliner Wohnungspolitik, um zu retten, was noch zu retten sei, wie die baupolitische Sprecherin der Fraktion, Barbara Oesterheld, sagte. Danach sollen von den rund 360000 Wohnungen in städtischer Hand 160000 in einer neu zu gründenden Gesellschaft - Arbeitstitel »Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft Berlin (GWB)« - zusammengeführt und an eine Stiftung übertragen werden. So soll ein notwendiger Bestand städtischer Wohnungen erhalten werden. In jedem Bezirk schwebt den Grünen die Zahl von etwa 14000 Wohnungen vor, die nach Alter, Zustand, Gebäudetyp, Fremdkapitalbelastung und Buchwert dem jetzigen Durchschnitt der Unternehmensbestände entsprechen. Die neue Gesellschaft soll nach Vorstellung der Grünen nur noch Verwaltungsaufgaben erfüllen, die Bewirtschaftung dagegen auf Bezirksebene erfolgen. Was bei den gegenwärtigen rechtlichen Konstruktionen zwischen Land und Unternehmen nicht möglich ist, könnte laut Oesterheld gegenüber einer GWB per Satzung und Vertrag durchgesetzt werden: Zielvorgaben, Regelung der Mietentwicklung, Belegung, Abriss und Neubau, Instandhaltungsquote, Mietervertretungen, parlamentarische Kontrolle. Das Kerngeschäft der Wohnungsvermietung könne so, von den Fehlern der Vergangenheit entlastet, kostendeckend und sogar gewinnbringend sein, meinte Oesterheld. Wenn der Gesellschafter, das Land Berlin, diese Idee durchsetzen wolle, könne er das über seine Aufsichtsräte. Zweiter Teil des Grünen-Vorschlags: Mit den reduzierten Unternehmen als Paket wird der gesamte Rest stadteigener Wohnungen - etwa 170000 - verkauft, ein Teil des Erlöses in die neue Gesellschaft investiert. »Wenn Berlin einen Betrag bekommt und nicht mehr Schulden zahlen muss, dann bin ich zufrieden«, antwortete Oesterheld auf die Frage, welche Summe ein solcher Verkauf einbringen könnte. Offen bleibt auch, was denn die Unternehmen geneigt machen sollte, diesen langwierigen und steinigen Weg der Bestandsabgabe und Privatisierung mitzugehen. Oesterheld verwies auf deren »Konkursneigung«, ungezügelte Wohnungsverkäufe, dadurch verschärfte Schieflage. »Und in fünf bis zehn Jahren haben wir null städtischen Wohnraum.« Aber das Land Berlin müsse einen Mindestbestand sichern, um seiner Aufgabe der Wohnungsversorgung für Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, nachzukommen.
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