Nicht an der Osteuropa-Kompetenz kürzen

Prominente Unterstützung für Slawisten der Humboldt-Universität

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit der EU-Erweiterung als Argument wirbt angesichts der drohenden Kürzungen der Fachschaftsrat Slawistik und Hungarologie der Humboldt-Universität für die »osteuropabezogene Wissenschaft«. Die Studierenden betonten zugleich, Fachrichtungen dürften sich nicht gegeneinander ausspielen lassen. Die Slawisten, die laut Strukturplanung drei Professuren einbüßen sollen, plädieren für die Wahrung des spezifischen Berliner Standortvorteils. Hier gebe es die ältesten Lehrstühle für Slawistik und Osteuropäische Geschichte in Deutschland und mit vielen Einrichtungen, Unternehmen und Verbänden sowie den »größten MigrantInnengemeinden osteuropäischer Herkunft in ganz Deutschland« sehr viel Osteuropa-Kompetenz, schrieb der Rat in einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister, den Finanzsenator und die Universitätspräsidien des Landes Berlin. Namentlich das Sprachangebot bereitet den Studentenvertretern Sorge. Das Lehrangebot osteuropäischer Sprachen beschränke sich hauptsächlich auf Russisch, sei bei Sprachen wie Polnisch ungenügend und für das EU-Beitrittsland Slowenien gebe es nicht einmal eins. Beobachtet werde eine Tendenz, so genannte regionale Studiengänge zugunsten von »Kerndisziplinen« abzuschaffen. Durch kurze Sprachkurse solle regionale Kompetenz vermittelt werden. Es werde suggeriert, »mit einem geringen Maß an Aufwand kulturelle und sprachliche Fähigkeiten erwerben zu können«. Dem gegenzusteuern, hat die Fachschaft Unterstützer gefunden. Trotz seines Verständnisses für Einsparungen in den Hochschuletats äußerte der Botschafter Bulgariens, Nikolai Apostoloff, starke Besorgnis, dass »Lehren und Erlernen der bulgarischen Sprache, Literatur und Kultur eingestellt werden könnten«. Er wies darauf hin, dass »in den letzten Jahren die Bulgaristik ständiger Kürzungen« ausgesetzt sei. Die HU, an der es Bulgaristik seit 1916 gebe, und die Universität Leipzig seien die »letzten zwei Inseln, die geblieben sind«. Schließungen würden auch eine »Einschränkung des wissenschaftlichen und kulturellen Austausches« bedeuten. Zustimmung erntete die Fachschaft auch bei der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft. Deren Präsident, Peter Spary, bot neben einem Brief an den Regierenden Bürgermeister weitere aktive Unterstützung an. Für das Deutsch-Polnische Jugendwerk erklärte Geschäftsführerin Doris Lemmermeier, dass die »Berliner Vielfalt in den philologischen Ausbildungsrichtungen unbedingt erhalten werden sollte«. Gerade Berlin als »Tor zum Osten« würde sich selbst vieler Chancen berauben, sparte es ausgerechnet an ost- und mitteleuropäischen Philologien. Beistand kam vom Direktor des Deutschen Polen Institutes, Dieter Bingen. Er verwies auf das »nicht egoistisch definierte« Interesse, »sich für das größere Europa und eine konstruktive Nachbarschaft mit unseren östlichen Partnern« fit zu machen. Das Institut werde immer Fürsprecher kultureller, sprachlicher Kompetenz und der Erhaltung regionaler Studiengänge sein. Einer »osteuropabezogenen Ausbildung nur eine untergeordnete Bedeutung beizumessen«, sieht durchaus nicht nur der Fachschaftsrat als grundlegenden Fehler an. Nicht nur für die Slawisten allein gilt das Argument der Studierendenvertretung: »Wir sollten versuchen, nicht immer nur in Schulden zu denken.« Wende man weniger Mittel für Ausbildung auf, »werden Schulden nur scheinbar getilgt und das Problem wird lediglich verschoben, da in der Zukunft weniger qualifizierte Fachleute zur Verfügung stehen«.
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