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  • Brandenburg
  • UNTERWEGS IN BRANDENBURG: Zinnfigurenmuseum in Gusow

Erwachen nach langem Schloß-Schlaf

  • Lesedauer: 3 Min.

Aufbruch im Oderbruch. Das verträumte Schloß Gusow im Kreis Seelow war einst vom berühmtesten Barockgarten in Brandenburg umgeben. Als Herrensitz diente es dem Generalfeldmarschall beim Gro-ßen Kurfürsten, Derfflinger. Friedrich der Große und Napoleon sollen es besucht haben, der Preußenkönig 1764 zur Kartoffelernte im zuvor von seinen „Landeskindern“ trockengelegten Oderbruch, später der Franzosenkaiser, als er mit 170 000 Mann Richtung Moskau zog. Bis zum 2. Weltkrieg im Besitz derer von Thurn und Taxis, beherbergte es zu DDR-Zeiten Gemeindeverwaltung, Großküche, Jugendklub, Ferienlager, Gaststätte - ein beliebter Treffpunkt für Gusower und ihre Gäste mit Kinderfesten, Dorfbums und Trödelmarkt.

Damit ist es nun vorbei. Seit Februar dieses Jahres gehört

das vom Zahn der Zeit schwer gezeichnete Domizil dem Dahlemer Architekten Peter Engelhardt. Für drei Millionen Mark erwarb er das Schloß und den 25 Hektar gro-ßen verwilderten Park, schätzungsweise das Zehnfache an Investitionen wird der Neuerwerb verschlingen, ehe es nach den Plänen des neuen Hausherren als Hotel, Konferenzstätte, Heimstatt für Konzerte, Lesungen, Ausstellungen, Theateraufführungen in neuer Blüte und unter Beachtung strenger denkmalpflegerischer Auflagen neues Leben eingehaucht bekommt.

Schon jetzt beherbergen einige Räume in Gusow ein Caf i und Brandenburgs erstes Zinnfigurenmuseum. Etwa 60 Dioramen, viele bestückt mit Figuren aus des neuen Schloßherrn Sammlung, sind zu sehen: etwa eine Germanenwanderung oder Ritter und Lands-

knechte im Kampfe, Zisterziensermönche bei der Landkultivierung, Szenen aus dem Bauernkrieg, Jagdmotive, brandenburgische Herrscher mit Hofstaat oder die Völkerschlacht 1813 bei Leipzig mit allein 2 500 Figuren. Schloß Gusow wartet zudem mit vielen historischen Dokumenten zur brandenburgischen Geschichte auf, darunter seltenen Büchern, Urkunden, Mobilar, Gemälden, auch Grafiken von Menzel und Zille. Zu den Schaustücken gehört eine Urkunde des Markgrafen zu Brandenburg mit Wachssiegel aus der Zeit um 1600. „Wir wollen brandenburgische Geschichte plastisch nahebringen und das Schloß zu einem kulturellen und touristischen Anziehungspunkt in einer strukturschwachen, von Arbeitslosigkeit geplagten Region entwickeln“, prophezeit der neue „bürgerliche“ Herr auf Schloß Gusow.

Der Schloßverkauf an den Westberliner Architekten Und Kunstliebhaber hat im Dorfe nicht nur Freude ausgelöst. Manche Ortsansässige befürchten, daß damit der Schloßpark bald nicht mehr öffentlich zugänglich bleibt. Um diesen Vorbehalten den Wind aus den Segeln zu nehmen, veranstaltete das Schloß-Team unlängst ein Kinderfest für Gusows Sprößlinge. Außerdem wurden jüngst in einer Fotoausstellung Bilder über ostdeutsche Befindlichkeiten gezeigt, vom Fall der Mauer, von „abgewickelten“ Betrieben, von Treuhandmanagern, Konsumfetischisten, von einer Obdachlosen-Selbsthilfegruppe und von den vielen Schlössern und Gärten in der Mark Brandenburg, die wie Gusow auf einen kapitalkräftigen und ideenreichen „Märchenprinzen“ hoffen.

KLAUS-DIETER STEFAN

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