Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

  • Brandenburg
  • ÖPNV: Einzig die Tarife spuren kräftig, aber die SPD will's plötzlich nicht mehr gewesen sein

Auf der Busspur hockt nicht nur der Haase

  • Michael M?ller
  • Lesedauer: 3 Min.

Glaubt der nahverkehrende Hauptstädter den Schlagzeilen, die ihm derzeit an der Kreuzung ins Auto oder auf dem U-Bahnhof in die Finger gedrängt werden, dann stellen sich die Wurzel seines Übels und seine politische Hoffnung so dar: Die CDU will die BVG-Tarife erhöhen, und die SPD will das verhindern. Der CDU-Verkehrssenator Haase ist unwillig, die geplanten Busspuren einrichten zu lassen, und der SPD-Bausenator Nagel kritisiert ihn schonungslos dafür.

Wer ist für die BVG-Tariferhöhung verantwortlich?

Der CDU/SPD-Senat, der unfähig war, seine Eigenbetriebe effektiv arbeiten zu lassen. Und der deshalb unlängst per Eigenbetriebsreformgesetz auch die BVG in eine Anstalt öffentlichen Rechts entlassen hat. Dem SPD-Abgeordneten Kriebel war es am 17. Juni 1993 im Abgeordne-

tenhaus vorbehalten, die nun mögliche „neue Handlungsund Leistungsfähigkeit“ der BVG als Sternstunde zu bejubeln. Die „nach tagespolitischen Aktualitäten und Opportunitäten ausgerichtete Einflußnahme der Politik“ werde so künftig verhindert.

Sich dieser Situation bewußt, stimmte bald darauf der BVG-Verwaltungsrat „aus wirtschaftlichen Gründen“ der nun anstehenden Tariferhöhung per Januar 1994 zu. Natürlich nicht eher, als sich dessen Vorsitzender, nämlich Verkehrssenator Haase, dies in seinem CDU/SPD-Senat hatte einstimmig absegnen lassen.

Ende August hatte das Abgeordnetenhaus dann kraft seiner CDU/SPD-Dominanz einen PDS-Antrag, der den Senat aufforderte, wenigstens die Umwelt-, Senioren- und Schülerkarten finanziell zu stützen, ohne Debatte in die

Ausschüsse verwiesen. Wo er seither schmort. Statt dessen profilierte sich letzte Woche die SPD mit einem populistischen Dringlichkeitsantrag: Der Senat solle die BVG-Tariferhöhung zurückstellen. Der Senat also, der die BVG mit SPD-Jubeitönen gerade aus seiner Verantwortung entlassen hatte.. . .

Wer ist für die fehlenden Busspuren verantwortlich?

Der CDU/SPD-Senat, der dafür stillschweigend die Koalitionsvereinbarung außer Kraft setzte. Dort hieß es zu Regierungsbeginn, ein „funktions- und leistungsfähiges Busspumetz“ müsse entwickelt werden. Zwei Jahre später war im Senats-Verkehrskonzept nur noch davon die Rede, daß der ÖPNV auf 270 Kilometern zu „beschleunigen“ sei, u.a. auch durch Busspuren. Fazit: In der Stadt gibt es rund 45 Kilometer Busspuren, ganze 5 davon wurden

seit 1991 vom CDU/SPD-Senat realisiert.

Alle halbe Jahre wird nun der CDU-Verkehrssenator von seinem SPD-Baukollegen medienwirksam kritisiert. Allerdings wider besseres Wissen. Denn nie und nimmer könnte z.B. der Bausenator in seinem Haushalt die Kosten für lauthals geforderte Busspur-Kilometer unterbringen. Er hatte deshalb z.B. für 1994 auch nur ganze 1,5 Millionen Mark dafür eingestellt. Zum Vergleich: Nur Markierung und Beschilderung - ohne Ampelanlagen - zwischen Alex und Brandenburger Tor kosten rund 700 000 Mark!

Worauf Frau Schreyer (Bündnis 90 / Grüne) gestern unverzagt hoffte, daß das Märchen vom Haasen, der auf der Busspur hockt, der SPD vielleicht doch nicht mehr jeder abnimmt.

MICHAEL MULLER

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal