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Duftendes Sprachbild

  • Lesedauer: 2 Min.

Die in Berlin lebende Norwegerin Sissel Tolaas inszenierte eine Rauminstallation, die mit Ironie und Lust am Originellen Politisches mit Natur durcheinanderwirbelt. „Metonymie“ bezeichnet eigentlich eine Form von Sprachbild, bei der ein konkreter einen abstrakten Begriff ersetzt. Hier ist das Konkrete nicht zu sehen, nicht zu hören, aber zu riechen: Düfte entsteigen den kleinen, in die Wand gebauten Schaukästen mit abstrakten Begriffen aus Staats-, Politikoder Kulturgeschichte.

Betritt man den mit dunkelblauem Flor ausgelegten Raum, ist es noch ruhig. Den Auftritt des Besuchers jedoch registrierend, setzt sich die jeweilige Windmaschine in Gang, die olf aktorischen Aufschluß und Kommentar liefert, indem sie Gerüche zufächelt. Da riecht die „Roman conception of law“, die römische Rechtsvorstellung, die auch unserer Verfassung noch zugrunde liegt, verdächtig süßlich, die „Greek political practice“, die politische Praxis der Griechen, dagegen nach frisch gemähter Wiese und Teeblättern. Der keltische Gespensterglaube hat eine käsige Note (Tilsiter), die mesopotamische Magie eine von Heu. Der schwülstige Blumenduft der „German sentimental fury“, der deutschen Sentimentalitäts-Raserei, kann nur ironisch gemeint sein bzw. auf den deutschen Hang zum Kitsch gemünzt, hingegen der faulige, an abgestandenes Wasser erinnernde Hochgeruch des römischen Sozialempfindens direkte Kritik an selbigem übt. Damit dürfte die empirische Forschung auf dem Sektor der Völkerkunde eine bisher ungeahnte Dimension im Reich des fünften Sinns erreicht haben. Sissel Tolaas for president!

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