Sucht: Frauen brauchen andere Therapien als Männer

Nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen in Hamm sind in Deutschland vier Millionen Frauen suchtkrank. Je ein Drittel der von Alkohol und illegalen Drogen Abhängigen in der Bundesrepublik sind Frauen, bei den Medikamentenabhängigen sind es sogar zwei Drittel. Eine vor wenigen Monaten veröffentlichte Studie von Prof. Christel Zenker am Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin, suchte nach den Ursachen für Suchtprobleme bei Frauen. Die Datenanalyse von 908 in Suchtkliniken behandelten Patientinnen ergab, dass bei allen Gewalterfahrungen, Sucht der Bezugspersonen und soziale Belastungen den Weg in die Abhängigkeit geebnet hatten. Dabei scheint das Ausmaß der Belastungen einen Einfluss auf das Suchteinstiegsalter und die Wahl der Droge zu haben. So zeigte sich, dass jene Frauen, die bereits in jungen Jahren abhängig wurden oder illegale Drogen konsumierten, deutlich mehr sexuelle und seelische Gewalt erleben mussten, mehr selbstverletzendes Verhalten an den Tag legten und eher zum Selbstmord neigten als jene, die erst in späteren Jahren süchtig wurden oder sich auf Alkohol beschränkten. Bei den in der Kindheit weniger Belasteten scheinen eher Partnerprobleme und familiäre Belastungen im Erwachsenenalter den Boden für die Sucht zu bereiten. Zenker, die in den Ergebnissen auch Anhaltspunkte für vorbeugende Maßnahmen sieht, folgert daraus: »In ihrer Behandlung müssen Frauen vorrangig auf der Gefühlsebene angesprochen werde, da sie häufig seelische Kränkungen aufweisen«. Nach Auffassung von Dr. Wilma Funke, leitende Psychologin der Kliniken Wied, müssten Therapien auf die unterschiedlichen Subgruppen zugeschnitten sein und mit den Klientinnen entschieden werden. Auch, weil süchtige Frauen häufig zusätzlich durch Ängste und Depressionen gequält werden. Beides ist neben sozialem Druck und Ausgrenzungsversuchen, Hauptgrund, weshalb Betroffene um Hilfe bitten. Hausärzte, Gynäkologen und Psychologen sollten deshalb bei ängstlichen und depressiven Patientinnen auch an eine mögliche Sucht denken. »Erschwert wird die Behandlung süchtiger Frauen nicht selten durch mangelnde Selbstwertgefühle und Abgrenzungsfähigkeiten, sowie verdrängte Identität«, stellt Funke fest. Bei Männern, die häufiger durch Stress, Leistungsdruck oder Konflikte mit Kollegen und Vorgesetzten am Arbeitsplatz den Weg in die Abhängigkeit finden, wird eine Therapie eher durch grundsätzliche Nähe-Distanz-Konflikte, Probleme beim Annehmen von Hilfe und mangelnder emotionaler Kompetenz erschwert. In der Regel beginnt die Suchtkarriere bei Frauen später als bei Männern, sie erkranken dafür aber früher. Möglicherweise, weil die Mehrfachbelastung durch Haushalt, Nebenerwerb und Kindererziehung die Prozesse beschleunigt. Frauen nehmen daher eher ambulante Angebote der Suchtbehandlung an, so Dr. Hans Neustädter, Chefarzt der Saarbrücker Fachklinik Tiefental. Dr. Ulrich Hutschenreuther, Leiter der Tagesklinik Dudweiler, bestätigt: »Der Anteil von Frauen in unserer Einrichtung ist in den letzten Jahren von 25 auf 40Prozent gestiegen«. Die Behandlung suchtkranker Frauen erfordere auch deshalb spezielle Angebote, weil viele von ihnen Mütter sind, deren Kinder das Risiko haben, später ebenfalls süchtig zu werden. Diesem Umstand hat die Fachklinik Tiefental Rechnung getragen. Vor 20 Jahren war sie die erste Suchtklinik in Deutsc...

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