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Patienten sollten IGeL-Leistungen gründlich prüfen

  • Elfi Schramm
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit 1998 gibt es sie, die Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL). Das sind Leistungen, die nicht im Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) enthalten sind, vom Patienten aber gewünscht werden. Nach Aussagen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen handelt es sich dabei um insgesamt 79 Leistungen. Diese darf der Arzt nicht zu Lasten der GKV abrechnen. Der Patient, der sie wünscht, muss sie privat bezahlen. Natürlich entlastet dieses System in erster Linie die solidarisch finanzierte Krankenversicherung, die seit Jahren an ihre Grenzen stößt und sich deshalb im Reformprozess befindet. Um so mehr wird der Versicherte selbst zur Kasse gebeten. Das bis dahin zumindest angestrebte, teils auch vorhandene, Vertrauensverhältnis Arzt-Patient wird auf eine harte Probe gestellt. Der Patient muss sich fragen, ob die von seinem Arzt angebotenen Sondertherapien, Vorsorgeuntersuchungen und Zusatzbehandlungen auch wirklich individuell nützlich sind oder aber dem Gedanken der privaten Bereicherung des Arztes entspringen. »Vertraue ich ihm oder nicht?«, das ist hier die Frage. Das Zweierverhältnis wird zur Dreiecksbeziehung Arzt-Patient-Geld. Nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) V gilt der Grundsatz, dass jeder Versicherte in der GKV Leistungen in Anspruch nehmen kann, die »ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich« sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Die Krankenkassen zahlen den Ärzten dafür einen Pauschalbetrag, egal wie viele Leistungen die Patienten in Anspruch nehmen. Nun gibt es aber einige Leistungen, die nicht im Katalog stehen. Dazu gehören eine reisemedizinische Impfberatung, Eignungsuntersuchung für Taucher, Flugtauglichkeit, sportmedizinische Untersuchungen und Beratungen, Vitalisierungskuren, Raucherentwöhnungen, allergologische Berufseignungstests für Bäcker oder Friseure, medizinisch-kosmetische Leistungen wie das Entfernen von Tätowierungen, ästhetische Operationen, Tests zur Prüfung der Verträglichkeit von Kosmetika, Blutgruppenbestimmung und zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen. Für diese Leistungen zahlt der Patient nun aus seiner privaten Tasche. Auch hierfür gilt die Gebührenordnung Ärzte (GOÄ). Dieser Ordnung zufolge kostet eine Reisemedizinische Beratung einschließlich Impfberatung beispielsweise 17,10 (noch in DM angegeben), eine Berufseignungsuntersuchung 29,64 DM. Die Kassenärztlichen Vereinigungen befürworten generell dieses individuelle Angebot in allen medizinischen Bereichen. Konkret zur Rolle des Patienten als Kunde bzw. Nachfragender angesprochen, äußerte sich der Leiter der Abteilung Kommunikation der KV Berlin, Dr. Roland Stahl, wohlwollend. Die ungewohnte Erfahrung, sich vom Arzt die Vor- und Nachteile erläutern zu lassen, abzuwägen und selbst zu entscheiden, würde ihn zum mündigen Patienten machen. Außerdem stünden ihm 23 KVen deutschlandweit bei Fragen zur Verfügung. Laut einer Umfrage von »Ärzte-Zeitung« und Privatärztlichen Verrechnungsstellen (PVS) im Juni 2003 sind mehr als 77 Prozent der Ärzte davon überzeugt, dass IGeL für ihre Praxis wirtschaftlich notwendig sind. Selbst Banker würden bei der Kreditvergabe an Arztpraxen genau darauf achten, dass Ärzte zukunftsorientiert arbeiten, d.h. mit Zusatzangeboten arbeiten, für die ihre Patienten selbst zahlen. Im Gegensatz dazu steht der Verein demokratischer Ärzte in Deutschland den individuellen Gesundheitsleistungen kritisch gegenüber. Seine Vertreter plädieren dafür, dass grundsätzlich alle Leistungen von den gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen werden. Nicht vergessen werden sollte, dass auch die im Leistungskatalog der GKV verankerten Leistungen keine Geschenke an die Patienten sind. Jeder Versicherte zahlt dafür seinen monatlichen Beitrag. Experten warnen immer wieder, sich als Patient mit IGeL nicht unter Druck setzen zu lassen, schon gar nicht in der Arztpraxis. Wer bereits auf dem Weg ins Wartezimmer von der Sprechstundenhilfe auf spezielle Zusatzleistungen aufmerksam gemacht wird, sollte sich davon nicht beeindrucken lassen. So manche Zusatzleistung wird oft doch noch von der Kasse bezahlt. Deshalb gilt, vorsichtshalber die Kasse anrufen. Bei einem auffälligen Tastbefund durch die Gynäkologin oder erblicher Vorbelastung braucht zum Beispiel eine Mammographie nicht bezahlt zu werden. So verhält es sich auch bei Darm- oder Hautkrebsverdacht. Auch hier zahlt nach dem Gesetz die Kasse die entsprechenden Untersuchungen.
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