Autoritäre Autorisierung

Von Hanno Harnisch

Wie sollen Tageszeitungen, aber auch Wochenblätter, eigentlich alle gedruckten Medien in Zukunft mit Interviews umgehen? Im Moment läuft die Sache so: Ein Interview mit einem Politiker wird vereinbart und geführt. In der Regel läuft ein Tonband mit. Dann bekommt der Interviewpartner diesen Text gefaxt oder gemailt, zur Korrektur. Das ist durchaus richtig und üblich, können so doch eventuelle Verständigungsfehler vermieden werden. Damit verbunden ist dann gleichzeitig die »Autorisierung« zur Veröffentlichung. Kein Mensch würde sich darüber aufregen - wenn es denn dabei bliebe. Das Medienmagazin »zapp« vom NDR zeigte am späten Sonntagabend ein Interviewmanuskript, bei dem nach der »Autorisierung« vom ursprünglichen Interview nicht mehr sehr viel zu erkennen war. Kein Einzelfall sondern gängige Praxis. Immer häufiger bekommen die Leser geglättete Aussagen eines Politikers vorgesetzt, die man auch einer Presseerklärung entnehmen könnte. Neun deutsche Tageszeitungen haben sich jetzt gegen diese in Mode gekommenen »Autorisierungen« und somit Verfälschungen zur Wehr gesetzt. Die »tageszeitung« (siehe Faksimile) hat ihren Unmut deutlich sichtbar auf die Titelseite gehievt. Geplant und geführt war ein Interview mit SPD-Generalsekretär Olaf Scholz. Doch das wurde, nachdem die »Autorisierung« der »tageszeitung« zu weit ging, zurückgezogen. Aus dem »Willy-Brandt-Haus« wurde gar subtil ein Informationsboykott signalisiert, sollte zuwidergehandelt werden. Also druckte die »tageszeitung« am 28. November eine geschwärzte Fassung. »Es gilt das gesprochene Wort«. Wenn dieser Grundsatz außer Kraft gesetzt wird, ist das »Betrug am Leser«, so die Chefredakteurin der »taz« Bascha Mika. »Die Darstellungsform Interview ist bedroht«, fürchtet der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Michael Konken, wenn vom Interviewten selbst, von Pressesprechern und PR-Beratern munter redigiert und umgeschrieben, entschärft und verwässert wird. Ausnahme: Die »Financial Times« druckte auch schon mal ein Interview mit Oskar Lafontaine gegen dessen Willen, weil sie seine Änderungen nicht akzeptieren wollte. In der Interviewpraxis von ND gab es in den letzten Jahren einen Fall, dass ein Interview mit einer Parteivorsitzenden nicht autorisiert wurde - vielleicht hätte es nicht hingenommen werden sollen. In der Regel begnügen sich Interviewpartner bei uns mit kleineren Änderungen. Dafür ist anderen auch der Kanzler bekannt, uns nicht: Mehrere Interviewanfragen des ND liegen unerledigt in der Ablage seines Büros. In Frankreich vermerken die Zeitungen, wenn ein Interview vom Partner »gegengelesen« wurde. Im Fernsehen und im Radio ist diese besondere Form der Zensur durch nachträgliche Korrekturen schlicht nicht möglich. Regierungssprecher Bela Anda, ehemals »Bild«, wiegelt mal wieder ab. Das Problem aber bleibt. Bis z...

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