Was ist geblieben?

Jubiläumskonzert: 30 Jahre Hanns-Eisler-Chor

  • Liesel Markowski
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.
Sie sind der sozialkritischen Haltung ihres Namenspatrons uneingeschränkt verbunden und bemüht, neue Wege zu gehen. Sie wollen wie er Antworten finden »gegen Dummheit in der Musik« und Politik: die Sänger des Hanns Eisler Chors. Der feierte sein 30-jähriges Jubiläum mit einem aufmüpfigen Konzert im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie. Entstanden ist der Chor 1973 in Westberlin im Umfeld der Studentenbewegung und um Eislers 75. Geburtstag. Gemeinsames Singen und Musizieren war für die damaligen Musikstudenten und Studierende anderer Fachrichtungen eine wunderbare Form des politischen Kampfes. Sie artikulierten den Protest der 68er Generation und den Traum von sozialistischer Demokratie in radikalen Text- und Musikmontagen und hatten Massenzuspruch junger Leute. Gewiss, heute sind die Träume verflogen, doch geblieben ist die Unruhe, ist kritisches Fragen, ist Auseinandersetzung. Geblieben ist Kontinuität erfolgreicher musikalischer Arbeit. Die Dirigentinnen Christina Hoffmann-Möller und Susanne Jüdes sind mit emanzipatorischem Mut, mit Energie und Können für den Fortbestand des Chores eingetreten. Künstlerischer Anspruch war für die Eisler-Sänger stets maßgebend. Daher haben sie sich mit Komponisten verbündet, die ihnen Stücke quasi auf den Leib schrieben und mit ihnen Wege von Musik und Politik ausprobierten. An erster Stelle Hartmut Fladt, der (auch Sänger-Mitglied) gewissermaßen zum Hauskomponisten avancierte. Zeitgenössische Laienchormusik hat durch den Eisler-Chor so wichtige Impulse erhalten. Zum Jubiläum wurden kompositorische »Spenden« bei bewährten Partnern eingesammelt. Es sind klingende Stellungnahmen zu Eislers Song »Lob der Dialektik« aus der »Mutter«-Kantate, der so etwas wie ein Markenzeichen des Chores ist und der dem Zeitenlauf gemäß interpretiert wird. »So wie es bleibt, ist es nicht« lautet die provokatorisch umgedrehte Zeile des Brecht-Gedichts als Motto des Festkonzertes. Das gespendete Geburtstagsgeschenk umfasste sieben Uraufführungen verschiedener Individualität zur musikalischen Dialektik und drei Eisler-Originale: »Lob der Dialektik« (instrumental und vokal), »Ballade vom Wasserrad«, »Lied von der belebenden Wirkung des Geldes«. Aktualität in der politischen Gegenwart war das wichtigste Prädikat dieses Programms. Am umfangreichsten angegangen in der siebenteiligen Kantate »Deutsche Tänze/Nachspiel« von Fladt, der dazu geistvolle satirische Texte von Joachim Janczak montierte. Ein deutsches Geschichtspanorama, das kleinbürgerlichen Größenwahn und Mief attackiert, fragend vom »Vielleicht ich« zum visionär lösenden »Vielleicht wir« vordringt. Komponiert avantgardistisch aggressiv, den Text akzentuierend, gesungen, gesprochen, geschrien, instrumental pointiert, auch elektronisch ergänzt, eine scharfe Groteske. Bemerkenswert, wie der Chor das überaus schwierige Werk bewältigt hat, bestens unterstützt von Instrumentalisten aus Berliner Hochschulen, unter dem energischen Dirigat der Cheffinnen. Die Textverständlichkeit allerdings ließ (überhaupt) zu wünschen übrig. Sicher lag das hier auch an einer latenten Kontrastarmut der Kantatensätze und an teilweise überladenden stilistischen Mitteln (historische Anklänge, Zitate), was den Nachvollzug erschwerte. Neben einem Potpourri »30 Jahre Chordialektik« (arrangiert von Hellmuth Pätsch) gab es außerdem das schlichte Bekenntnis einer einfachen Frau, die Wahrheit zu sagen, »Wenn ich aufgerufen würde« von Susanne Jüdes, den eng an Eisler anschließenden Song »Abeite, Abeite« von Bardo Henning, ferner - sehr gelungen - »Kleiner Versuch Todesorgel« von Henriette Müller und ein »Dialektisches Requiem« mit Eisler-Zitaten von Wilhelm Dieter Siebert. Den effektvollen rockigen Abschluss bildete die vitale Kantate »Das Netz« von Andreas Brauer auf eine Montage aus dem Siemens-Jahrbuch 2001. Musik und Politik in Aktion in eng...

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