Abbestellen als einzige Alternative

In Brandenburg wird Nahverkehr ausgedünnt Bund will Regionalisierungsmittel kürzen

  • Erich Preuß
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Land Brandenburg wird um zwei Bahnstrecken ärmer. Seit dem 1.Dezember fahren zwischen Rathenow und Neustadt (Dosse) und ab dem 15.Dezember zwischen Brandenburg und Belzig keine Personenzüge mehr. Das Landesverkehrsministerium in Potsdam hat bei der Deutschen Bahn (DB) AG den Nahverkehr dieser Strecken abbestellt.
Kurz vor ihrem 100-jährigen Jubiläum bleibt von der Brandenburgischen Städtebahn von Treuenbrietzen über Brandenburg, Rathenow nach Neustadt (Dosse) nur der Abschnitt Brandenburg-Rathenow übrig. Dieser wird gegenwärtig saniert. Wenn die Bauarbeiten beendet sind, sollen die Züge über Rathenow hinaus bis Rathenow Nord fahren. Den anderen Abschnitten einen neuzeitlichen Standard zu geben, dafür fehlen Geld und Interesse.
Es sind immer die gleichen Argumente, mit denen begründet wurde, warum in Brandenburg das Bahnnetz peu à peu ausgedünnt werden musste: zu wenig Fahrgäste und zu wenig Einnahmen. DB und Ministerium rühmen sich des starken Berufsverkehrs auf einigen Strecken, der dichten Zugfolge, der hohen Geschwindigkeiten und der bequemen Fahrzeuge. Dieser findet aber nur auf Hauptstrecken in Richtung Metropole Berlin statt.

Modellprojekt am Ende
Die DB ist nicht unzufrieden, wenn ein Land abbestellt, anderenfalls hätte sie in die Abschnitte Brandenburg-Belzig und Rathenow-Neustadt (Dosse) investieren müssen. Denn der Zustand wie vor hundert Jahren war den Fahrgästen nicht mehr zuzumuten. Für die Verbesserung der Anlagen etwas zu tun, dafür fehlt wiederum der Druck von den Behörden. Sie schätzen gute Straßen, die bei den Wählern Punkte bringen, sowie den Autobus.
Die Befürworter des Zugverkehrs sind nicht nur Bahnfreaks. Abgesehen von den Touristen, die das Rhinower Ländchen und den Fläming besuchen sollen, sind die Strecken im Bahnkonzept 2009 des Bundeslandes mit der »Priorität Handlungsbedarf« versehen. Darauf weist Anita Tack, verkehrspolitische Sprecherin der Brandenburger PDS-Landtagsfraktion hin. Zudem sei das Modellprojekt des Bundesverkehrsministeriums zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Brandenburger Städtebahn noch nicht abgeschlossen. Eine entsprechende Studie dazu liege erst Ende 2004 vor. »Die einzige Alternative ist das Abbestellen«, kritisiert sie. Dabei gebe es gerade in Brandenburg einzelne Beispiele, dass es auch anders geht. So wird die Strecke von Pritzwalk nach Putlitz in Nordbrandenburg, die ebenfalls auf der Kippe stand, von der Prignitzer Eisenbahn, unterstützt vom dortigen Landkreis, am Leben erhalten.
Für den Abschnitt Rathenow-Neustadt (Dosse) fehlt den Prignitzer aber der direkte Auftrag des Landes, dort fuhr sie nur auf Rechnung von DB-Regio. Bei der Brandenburgischen Städtebahn führt eben niemand, bemängelt Tack, Verkehrsministerium, die Landkreise Potsdam-Mittelmark und Havelland, die Stadt Brandenburg und die kommunalen Akteuren zusammen, um in einem integrierten Verkehrskonzept Bahn und Bus nach dem Beispiel der Prignitz optimal zu verknüpfen. Die Erfahrungen zeigen nach Tacks Ansicht, dass Strecken, an denen die DB nicht interessiert ist, erfolgreich bewirtschaftet werden können. Anita Tack fordert die Wiederbestellung des Zugverkehrs auf der ganzen Städtebahn im kommenden Jahr.

Kürzungen um 7Prozent?
Mit der raschen Abbestellung, steht zu vermuten, hat sich das Potsdamer Ministerium bereits vorauseilend auf eine drastische Reduzierung der Mittel für den Schienenpersonennahverkehr eingestellt. Nach Informationen der Bahngewerkschaft Transnet werden Reduzierungen der entsprechenden Regionalisierungsmittel im Vermittlungsausschuss ernsthaft diskutiert. Während die Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) die Regionalisierungsmittel in den kommenden drei Jahren um je vier Prozent kürzen wollen, gebe es, so Transnet, im Vermittlungsausschuss offenbar sogar Bestrebungen, diese Gelder im vierten Jahr um weitere sieben Prozent zu kürzen. In Brandenburg machen die Streichungen im Jahr 40 bis 50 Millionen Euro aus. Sollten sich diese Pläne durchsetzen, sieht die Gewerkschaft bundesweit jeden vierten Nahverkehrs-Zug gefährdet. Allein bei den Schienen-Unternehmen im Nahverkehr wären rund 10000 Stellen bedroht.
Mit den Regionalisierungsgeldern bestellen die Länder seit 1996 den Nahverkehr. Seit 2002 werden vom Bund jährlich rund 6,75 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Diese Summe soll sich bis 2007 um jährlich 1,5 Prozent erhöhen.

Übrigens wird nicht nur in Brandenburg ausgedünnt: In Sachsen-Anhalt wird ab 15. Dezember der Personenverkehr Köthen-Aken und Quedlinburg-Aschersleben eingestellt, in Sachsen der auf der Schmalspurstrecke Radebeul Ost-Radeburg drastisch eingeschränkt und der S-Bahn-Verkehr in Dresden nicht, wie geplant, verdichtet.
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