Mobilfunkkonzerne wollen Geld zurück

Rechnungen für die Lizenzen sollen fehlerhaft sein

  • Martin Schwarz, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.
Die großen Mobilfunkkonzerne haben die Republik Österreich verklagt. Vom Staat wollen sie einen Teil der für den neuen, bisher unrentablen Mobilfunkstandard UMTS bezahlten Lizenzgebühren zurückerhalten. Auch auf andere Staaten könnte nun eine Prozesslawine zurollen.
Der neue Mobilfunkstandard UMTS hat sich als geschäftlicher Rohrkrepierer erwiesen und die Bilanzen der meisten europäischen Mobilfunkbetreiber rot gefärbt. Hohe Entwicklungskosten für vom Publikum weitgehend verschmähte technische Innovationen sowie teure Lizenzgebühren an die jeweiligen Staaten lassen bei den Betreibern den Wunsch aufkommen, zumindest einen Teil der Investitionen wieder vom Staat zurückzubekommen.
Deshalb haben alle sechs UMTS-Lizenznehmer in Österreich - Mobilkom Austria, T-Mobile, One, tele.ring, Hutchison und Telefonica - Klage gegen den Staat auf Rückerstattung der Mehrwertsteuer eingebracht. Die war in den Rechnungen für die Lizenzgebühren, insgesamt 832,1 Millionen Euro, nämlich nicht ausgewiesen. Die Betreiber meinen, die Mehrwertsteuer sei in dem Betrag schon enthalten, weshalb sie nun vom Staat die Rückerstattung von 20 Prozent der Summe, insgesamt also 140 Millionen Euro und die Ausstellung von Rechnungen verlangen, in denen die Steuer ausgewiesen sei. Diese kann dann von den Betreibern vor dem Fiskus als Gewinn mindernd geltend gemacht werden.
Die Konzerne stützen sich in ihrer Klage auf die sechste Umsatzsteuer-Richtlinie der EU, die besagt, dass ein Staat bei Leistungen im Bereich des Fernmeldewesens wie ein Unternehmer Umsatzsteuer verrechnen muss. Die österreichische Regierung hält dies für nicht zutreffend. Nach Meinung des österreichischen Finanzministeriums habe der Staat durch die Lizenzvergabe lediglich »marktregulierend« gewirkt und sei dabei gar nicht »unternehmerisch tätig gewesen«. Der Klage werde also nicht entsprochen.
Sollten die Mobilfunkbetreiber in Österreich Erfolg haben, wäre dies ein Präzedenzfall für andere Staaten, die ebenfalls eine Versteigerung der UMTS-Lizenzen durchgeführt haben. Für Deutschland würde es bedeuten, dass Hans Eichel den Unternehmen rund sieben Milliarden Euro zurückerstatten müsste. In der Bonner Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post gibt man sich schon mal trotzig: »In der Gretchenfrage - Umsatzsteuer ja oder nein - vertreten wir das Nein«, so Behördensprecher Rudolf Boll.
Die Idee mit der Umsatzsteuer ist zweifellos grandios, denn die UMTS-Betreiber haben Erfolgsmeldungen bitter nötig, wie etwa der Fall des österreichischen Pioniers »drei« zeigt: Das Tochterunternehmen der in Hongkong ansässigen Hutchison-Whampoa-Gruppe konnte im ersten Halbjahr 2003 gerade mal 10000 Kunden für seine neuen UMTS-Dienste gewinnen. Dass der Kundenstock in den letzten Monaten enorm gewachsen ist, liegt daran, dass sich »drei« als einer der billigsten Mobilfunkbetreiber Österreichs positioniert hat und seine Klientel mit Gratis-Aktionen und Schnäppchen überhäuft. Darüber hinaus werden die technischen Extravaganzen von UMTS weit weniger offensiv kommuniziert wie zuvor.


Hintergrund
Das Finanzamt Bonn Innenstadt untersucht seit mehr als einem Jahr, ob die zuständige Regulierungsbehörde bei der Versteigerung der deutschen UMTS-Lizenzen im August 2000 zu Recht auf die Erhebung einer Mehrwertsteuer verzichtet hat. Erst nach Gesprächen mit den obersten Finanzbehörden auf Bundes- und Länderebene ist mit einer Entscheidung zu rechnen. Die sechs UMTS-Lizenzinhaber in Deutschland - T-Mobile, Vodafone, E-Plus, O2, MobilCom und Quam - fordern seit längerem eine Rechnung mit Umsatzsteuer-Ausweis.
UMTS (Universal Mobile Telecommunication System) steht für eine neue Übertragungstechnologie per Breitbandfunk, die ab 2005 großflächig zum Einsatz kommen soll. Dank der gesteigerten Übertragungsrate können über Handy auch datenintensive Multimedia-Dienste angeboten werden. ND/Agenturen
Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal