Komödie des Misslingens

»Der Feuerwehrball« nach dem Film von Milos Forman in Potsdam

  • Volker Trauth
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.
Mir ist der Ruf unserer Feuerwehr sehr teuer, teurer als meine ehrliche Haut« - das sagt der Feuerwehrmann Wiesner, nachdem der so sorgsam vorbereitete Feuerwehrball kläglich ins Wasser gefallen und im Kreise des Festkomitees beraten worden ist, wie der katastrophenauslösende Diebstahl der Tombola-Preise zu vertuschen sei. Dieser Satz vor allem war es, der den Herren aus Novotnys Politbüro in Prag Milos Formans nach wenigen Voraufführungen abgesetzten Film als böse Parodie auf die Unfähigkeit von Partei und Regierung erscheinen ließ. So ganz falsch lagen die Herren nicht, denn der Film zielte natürlich auf Wiedererkennung. Im Tautropfen wollte Forman die Welt spiegeln, im tragikomischen Versagen der Feuerwehrleute von Vrchlaby den ewig unlösbaren Widerspruch zwischen Anspruch und Ergebnis, zwischen Wollen und Können. Regisseur Herbert Olschok, der schon in seiner Chemnitzer Inszenierung von Hedda Zinners »Was wäre, wenn« einen heiter ironischen, nie verletzenden Blick auf seine Landsleute im Osten geworfen hatte, hat den Stoff nun in Potsdam in einen Fantasieort im Erzgebirgischen übertragen. Ein Festkomitee ist gegründet worden, das den anstehenden Feuerwehrball zum Großereignis aufstylen soll. Eine »Miss Feuerwehr« soll gewählt werden, die dem greisen Feuerwehrveteranen Löscher Erich ein Ehrengeschenk zu überreichen beauftragt wird. Eine unheilvolle Serie des Misslingens hebt an. Am Ende versäumen die Helden, mit der Miss-Suche beschäftigt, die Löschung eines Brandes, und auf den verkohlten Trümmern rückt die Personnage zum Erinnerungsfoto zusammen. Schnee rieselt herab, und die Lippen formen sich zu einem frohgemuten Zukunftslied. Begonnen hatte es furios. Ebenso umständlich wie wichtigtuerisch begrüßen sich die Komiteemitglieder per Handschlag und mit Nennen ihres Vornamens, weihevoll wird das Ehrengeschenk, ein silbernes Feuerwehrbeil ausgepackt, und der Maler namens Womacka hängt, mit den Beinen strampelnd, an einem Deckenbalken, nachdem die zu seiner Sicherung abkommandierten Genossen im Streit seine Leiter weggefahren haben. Dann schreiten, hoppeln, hüpfen sie herein: mit betont lässigem Schleichen die männliche Dorfjugend, mit hastigen Trippelschritten ihre staksigen Töchter im Schlepptau, die Witwe Stemmler (Sabine Scholze), mit gekrümmtem Rücken und raumgreifend energischem Schritt die Ehefrau des ängstlichen Feuerwehrmannes Bange (Ursula-Rosa Maria Gottert), im preußisch stocksteifen Staccato der um die Unberührtheit seiner Tochter besorgte Vater Kokel (Olaf Polenske). Allerlei ergötzliche Figurenbeziehungen entfalten sich, die Unterwürfigkeit des Saalschützers Milich Kurt (Joachim Schönitz), der die Weisungen seines Chefs, des Hauptmanns Brand Schorchel, mit zackigem »Jawoll, Schorch!« quittiert, oder die Hasenfüßigkeit des Genossen Bange, den die Begehrlichkeiten seiner Ehefrau in hektische Betriebsamkeit versetzen. Komische Situationen gibt es die Menge: etwa wenn die ewig übel gelaunte Kellnerin gegen ihren Willen in die Schar der Schönheitskandidatinnen eingereiht wird oder sich der Tombolawächter Alberich (Günter Zschäckel) beim Zurückbringen der von der eigenen Frau gestohlenen Sülzwurst erwischen lässt. Im Hintergrund, im Outfit der 60er Jahre, ein Gesangsduo (Rita Feldmeier, Robert Putzinger), das mit den sentimentalen Liedchen von den »fremden Schiffen im Hafen von Piräus« oder den Caprifischern die Stimmung anzuheizen versucht. Irgendwann aber geht dem Abend die Luft aus, das abendfüllende Nacheinander der Rituale und Tänze dreht sich bald im Kreise, und die Nichtigkeit der Geschichte kann bald nicht mehr durch das Dauerfeuer der Einfälle verdeckt werden. In seinen Erinnerungen staunte Milos Forman darüber, dass es seinem Film gelungen sei, »das Publikum bei der Stange zu halten«. Das gelingt der Potsdamer Theaterinszenierung nicht durchgehend - auch weil es dem Abend an rhythmischer Struktur, am kalkulierten Wechsel von laut und leise, von Tempo und Stillstand fehlt. Wesentlicher aber noch: Die Figuren haben zu wenig an biografischem Hintergrund - ganz im Gegensatz zu Olschoks besagter Inszenierung von Hedda Zinners »Was wäre, wenn«, jener Story vom DDR-Dorf an der westdeutschen Grenze, das durch wundersame Umstände für einen Tag dem Westterritorium zugeschlagen wird. Da war es ihm gelungen, der Mehrzahl der Figuren eine individuelle Geschichte zu geben. In Potsdam dagegen haben wir man...

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