Keine Heimkehr nach Thule

Ursprüngliche Bewohner des Gebiets um die USA-Basis vor Gericht unterlegen

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.

Vor 50 Jahren mussten die Inughuit aus dem nordgrönländischen Thule einer USA-Luftwaffenbasis Platz machen. Nach dreiwöchigem Prozess verweigerte ihnen das Oberste Gericht Dänemarks dieser Tage sowohl die Rückkehr in ihre Heimat als auch Entschädigungen für ihre wirtschaftlichen Einbußen.

Wir sind enttäuscht, vom dänischen Machtsystem erneut abgewiesen worden zu sein«, sagte Uusaqqaq Qujaaqituq, der Vorsitzende des Vereins »Hingitaq 53« (Die Verstoßenen von 1953). Er vertritt die Mehrzahl der etwa 130 zwangsumgesiedelten Inughuit und ihrer Nachkommen. Sie hatten mehr als die ihnen bisher zuerkannten 220000 Euro an Entschädigungen verlangt. Doch das Gericht lehnte ab: Die Inughuit hätten seit 1953 Zuschüsse und Sozialleistungen wie alle anderen Grönländer erhalten. Ein anderes Gericht hatte vor vier Jahren immerhin anerkannt, dass die fast autonom vom übrigen Grönland lebenden Inughuit seinerzeit gegen ihren Willen etwa 140 Kilometer nach Norden verfrachtet wurden, was ein grober Eingriff in ihr Leben war. In jenem Prozess war vorrangig darüber verhandelt worden, ob es sich um eine zwangsweise oder eine mehr oder weniger freiwillige Umsiedlung handelte, die es den Betroffenen ermöglichen sollte, ihr Leben als Jäger ungestört von der USA-Luftwaffenbasis und ihrer 10000-Mann-Besatzung fortsetzen zu können. In dem neuen Prozess kämpften die Thule-Vertriebenen dagegen um das Recht auf Rückkehr. Der dänische Staat als Beklagter und die Kläger stritten in dem Verfahren darüber, ob die Inughuit sprachlich, kulturell und ethnisch ein Teil der grönländischen Bevölkerung sind oder ob sie als eigenständiges ursprüngliches Volk zu betrachten sind. Die Richter schlossen sich der ersten, von Dänemark vertretenen These an. »Das Urteil ist ein Sieg für Grönland, da das Land sonst atomisiert werden würde«, kommentierte der dänische Anwalt das Urteil. Tatsächlich hatte auch Grönlands Autonomieregierung lange Zeit den Standpunkt vertreten, dass die Insel von einem einzigen Volk bewohnt werde. Erst im letzten Moment hatte sie sich als Nebenkläger in den Prozess eingeschaltet. Noch 1999 vereinbarte sie mit der damaligen sozialdemokratischen Regierung Dänemarks als eine Art zusätzlicher Entschädigung den Bau eines Flugplatzes in Qaanaaq, dem jetzigen Wohnort der Inughuit. Doch Flugpreise um die 3000 Euro sind praktisch unerschwinglich für Menschen, die von Jagd oder Arbeitslosenhilfe leben. Die sozialdemokratische Siumut-Partei, stärkste Kraft in der grönländischen Regierung, wich einer klaren Stellungnahme zu dem Urteil aus. Ihr Koalitionspartner, die linkssozialistische IA-Partei, unterstützte dagegen die Ankündigung von »Hingitaq 53«, nun beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strasbourg zu klagen. »Wir müssen uns an eine Instanz außerhalb des dänischen Machtsystems wenden, um Gerechtigkeit zu erlangen«, sagte Anwalt Christian Harlang. Eine Entscheidung zugunsten der Kläger hätte zweifellos Folgen für das Verhältnis zwischen Dänemark und den USA gehabt: Die dänische Regierung hätte gegen ihren Willen über die Rückgabe der Basis Thule verhandeln und die Gültigkeit des »Verteidigungsabkommens« mit den USA in Frage stellen müssen. Das kann nach heutigem Wortlaut nur gekündigt werden, wenn nach US-amerikanischer Einschätzung keine Gefahr mehr für die Vereinigten Staaten besteht. Angesichts der gegenwärtigen Politik Washingtons wird man auf e...

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