Sparkasse auf Abwegen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
In Stralsund lassen die Großbanken einen Versuchsballon starten. Erstmals in Deutschland könnte eine Stadt ihre Sparkasse an einen privaten Investor verkaufen. Doch gegen die Pläne regt sich Widerstand.
Lassen Sie sich nicht verunsichern!«, versucht der Vorstand der Sparkasse Stralsund, die werte Kundschaft per Internet zu beruhigen. Aber an Ruhe ist in der traditionsreichen Hansestadt im Moment nicht zu denken, denn erstmals in Deutschland soll ein öffentlich-rechtliches Kreditinstitut an eine private Bank verkauft werden. Ihre forschen Privatisierungspläne haben die Sparkasse mit ihren sieben Geschäftsstellen immerhin auf die Titelseiten der Wirtschaftspresse gebracht. Auslöser des mittlerweile bundesweiten Rummels ist Oberbürgermeister Harald Lastovka (CDU), der zugleich dem Verwaltungsrat der örtlichen Sparkasse vorsitzt. OB Lastovka träumt davon, dass Stralsund als erste Stadt in Deutschland seine Sparkasse privatisiert. Zu diesem Zweck soll sie meistbietend auf dem freien Markt angeboten werden. Als Käufer kommen andere öffentlich-rechtliche Sparkassen in Frage, aber auch sonstige Investoren, also private Banken. Den dazugehörigen Beschluss hat der Sparkassen-Verwaltungsrat unter Vorsitz des Stadtoberhaupts mehrheitlich zugestimmt. Lastovka begründet seine Verkaufspläne mit der knappen Haushaltskasse der nur noch 60000 Einwohner zählenden Stadt am Strelersund. Mit dem Geld könnten unter anderem Schulen saniert werden. Stralsunds OB rechnet unterm Strich mit höheren Einnahmen, wenn eine private Bank »seine« Sparkasse kauft, die finanziell als gesund gilt. Der zweiköpfige Vorstand, der sich offenbar einer Privatisierung wiedersetzte, wurde kurzerhand entlassen. Nun soll am 11. Dezember die Bürgerschaft über die Privatisierung der Sparkasse entscheiden. Vor Ort kocht unterdessen die Gerüchteküche. Die Ehefrau des OB sei die Busenfreundin der Gattin des Deutsche-Bank-Filialleiters. Andere Stimmen wollen wissen, dass auch PDS- und SPD-Vertreter, die zusammen in der Bürgerschaft den CDU-Plan kippen könnten, im Sparkassen-Verwaltungsrat zugestimmt hätten. Deutsche Bank und auch die Commerzbank dementierten wiederholt konkrete Kaufabsichten, und das Abstimmungsergebnis im Verwaltungsrat bleibt bis auf weiteres genauso »top secret« wie der genaue Wortlaut des Beschlusses. Verwaltungsrat und Rathaus bestätigten lediglich, es werde »in Erwägung gezogen«, die Sparkasse zu privatisieren. Solche Pläne stoßen jedoch in der Praxis auf erhebliche Schwierigkeiten. So verbietet die Gesetzeslage die Privatisierung, wie selbst ein Sprecher der Stralsunder Sparkasse zugibt. Auch der Ostdeutsche Sparkassen- und Giroverband weist auf das Verbot hin und hält den Plan für ein geradezu unsittliches Angebot. Und Sigrid Keler (SPD), die Finanzministerin von Mecklenburg-Vorpommern, ließ OB Lastovka zum Rapport antanzen. »Wir werden umgehend für einen sparkassen-interne Lösung sorgen«, sagte sie Agenturen. Lastovka ließ danach und vor seiner Abreise zum CDU-Parteitag in Leipzig noch schnell verlauten, dass er an seinen Privatisierungsabsichten festhalte. Ansonsten spielt die Zeit für ihn. Mitte der neunziger Jahre hatten deutsche Privatbanken vor der EU-Kommission gegen angebliche Privilegien der öffentlich-rechtlichen Sparkassen geklagt - Begründung: Die besonderen Beziehungen der Sparkassen zum Staat verstießen gegen Europas heilige Kuh, das Wettbewerbsrecht. Nach jahrelangem Hickhack einigten sich Brüssel und Berlin auf einen Kompromiss: Danach werden im Jahr 2005 die staatlichen Garantien wegfallen, auch wenn Sparkassen weiterhin als öffentliche Anstalten im Eigentum von Stadt und Kommune bleiben können - oder sie werden privatisiert. Das Ringen um die Zukunft der bundesweit 500 Sparkassen, auf deren Konten immerhin vier von zehn angesparten Euro landen, hat längst begonnen. Kürzlich feuerte der neoliberale IWF eine Breitseite gegen die deutschen Sparkassen ab. Mit dem Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Caio Koch-Weser, soll Stralsunds OB bereits über eine Privatisierung gesprochen haben. Koch-Weser, der das Ohr von Finanzminister Eichel und Kanzler Schröder besitzt, gilt nicht gerade als Anhänger der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute, und auch Wirtschaftsminister Clement hat durchblicken lassen, dass er Privatisierungen von Sparkassen nicht für tabu hält. Stralsund ist wohl nur ein Versuchsballon. Nachdem sie jahrelang Kleinsparer verprellt sowie mit Internet- und Investment-Banking milliardenschwere Verluste eingefahren haben, wollen sich die privaten Banken jetzt mit der Übernahme lukrativer Sparkassen und Volksbanken profitable Marktanteile im Privatkundengeschäft zusammen kaufen. Bankenpräsident Rolf Breuer fordert bereits kategorisch: Sparkassen »müssen privatisiert werden«, sonst drohen feindliche Übernahmen durch ausländische »Eroberer«. In Stralsund regt sich trotzdem Widerstand, in allen Parteien. Ohne Sparkasse fehle Wettbewerb, die Gebühren würden steigen, in den Randbezirken drohe die Schließung von Filialen, und der Mittelstand dürfte es noch schwerer haben, an Kredite zu kommen, so die Argumente. Die PDS sammelt Unterschriften gegen eine Privatisierung, die Gewerkschaft Ver.di protestiert. Unterstützung für das »rote« Meck-Pom kommt ausgerechnet aus dem »schwarzen« Hessen. Ministerpräsident Roland Koch hat sprach sich kürzlich für eine Fortsetzung der bisherigen Rechtsform aus: »Die Sparkassen müssen ihren öffentlich-rechtlichen Charakter behalten.«
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