Freibrief für Niedriglohn

  • Wolfgang Hübner
  • Lesedauer: ca. 1.0 Min.
Es war ein toller Parteitag, resümierte Angela Merkel in Leipzig. Für sie persönlich mag das zutreffen: Interne Widersacher wie Roland Koch sind in die zweite Reihe verwiesen, CSU-Chef Edmund Stoiber produzierte sich eher wie ein jovialer Mitarbeiter statt als Immer-noch-Kanzlerkandidat, und auch Ex-Bundespräsident Roman Herzog ließ sich auf seine alten Tage noch einmal in die Niederungen der Parteiarbeit herab, um Merkel mit seinem Sozialreform-Konzept einen Dienst zu erweisen. Die Parteivorsitzende hat das Personal im Griff, jedenfalls vorerst. Sie gibt Themen und Richtung vor. Nein, Leipziger Allerlei war es nicht, was die CDU in der Messestadt geboten hat. Denn das Rezept ist klar. Sozial ist, was Arbeit schafft, wurde gebetsmühlenartig wiederholt. Der Satz ist in der Konsequenz ein Freibrief in Richtung Niedriglohn. In der Krankenversicherung will man die Arbeitgeber entlasten und Besserverdienende nicht stärker zur Kasse bitten als Leute mit geringeren Einkommen, im Steuerrecht die Vielverdiener überproportional begünstigen. Höhere Erbschaftssteuern, Ausbildungsabgabe und Vermögensteuer werden als schädlich abgetan. So spricht eine Partei der Wirtschaft. Wenn Edmund Stoiber in diesem Land keinen Reichtum mehr finden kann, bloß weil in seiner Freistaatskasse Ebbe herrscht, dann ist er auf einem Auge blind. Den zweifellos vorhandenen Reichtum, der über Jahrzehnte hinweg in immer weniger Hände verlagert wurde, will die Union nicht oder nur sehr eingeschränkt zur Sanierung der Staatsfinanzen und Sozialkassen heranziehen. Dafür sollen vor allem die mittleren und unteren Schichten aufkommen. Der Einzige, der sich darüber öffentlich aufregte, war Norbert Blüm. A...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.