400000 ohne feste Bleibe

Immer mehr Frauen und Jugendliche obdachlos/Diakonie: Tendenz steigt

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Die Zahl der Obdachlosen in der Bundesrepublik steigt wieder an. Betroffen sind, verglichen mit früher, mehr junge Menschen und mehr Frauen. Insgesamt haben in Deutschland derzeit rund 400000 Menschen keine feste Bleibe, bilanzierte das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Dienstag in Berlin.
Berlin. (ND-Witt) Etwa 20000 der Menschen ohne feste Bleibe leben dabei ganz auf der Straße, darunter sind etwa 1800 bis 2200 Frauen. Das Diakonische Werk rechnet damit, dass die Zahl der Obdachlosen allein in diesem Jahr um 10bis 20Prozent steigt. Hauptgründe seien die starken Arbeitslosenzahlen, die zurückgehende Menge verfügbarer Sozialwohnungen, die knappen öffentlichen Kassen sowie die Auswirkungen der Arbeitsmarktreform. Die EKD befürchtet deshalb nach Jahren sinkender Betroffenenzahlen eine Trendwende. Die Zahl der Wohnungslosen nehme »insbesondere in den Ballungsgebieten« zu, berichtete Diakonie-Präsident Pfarrer Jürgen Gohde. Man müsse davon ausgehen, dass sich in diesem Jahr die Verarmung erstmals wieder in deutlich höheren Wohnungslosenzahlen niederschlage. Dabei sei die erkennbare Wohnungsnot derer, die auf der Straße leben, nur die Spitze des Eisberges. Die Diakonie geht von einer weitaus größeren Zahl von Menschen aus, die in ungesicherten Mietverhältnissen oder bei Freunden und Bekannten lebten. Gohde warnte gestern angesichts der aktuellen Entwicklung sogar vor »amerikanischen Verhältnissen«. Von denen sei man zwar noch weit entfernt, aber auf dem Weg dorthin. Insbesondere der enger werdende Wohnungsmarkt und die wegbrechende finanzielle Unterstützung der Kommunen ließen die Zahl der Wohnungssuchenden wieder ansteigen. Zudem drohten die vorgesehenen Sozialreformen, die effektive Vorbeugung von Wohnungsnot und eine erfolgreiche soziale Integration Wohnungsloser zu vereiteln. So beklagt das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg, dass bei der Kältehilfe gegenüber dem Vorjahr in diesem Winter rund 10 Prozent weniger Notübernachtungsplätze zur Verfügung stehen, weil diese wegen der wegfallenden bezirklichen Anteils-Förderung schließen mussten oder ab Januar ganz aus der Förderung fallen. In der Hauptstadt bieten in diesem Winter 60 Institutionen Kältehilfe an, im vergangenen Jahr waren es 83. Nach Angaben der Evangelischen Obdachlosenhilfe sank der Altersdurchschnitt der Hilfesuchenden deutlich. Dieser beträgt gegenwärtig 38 Jahre. 60 Prozent der Wohnungslosen haben ein Gesamteinkommen von unter 310 Euro monatlich. Auch die Zahl derjenigen, die ohne jedes reguläre Einkommen sind, wächst. Ohne die in Wohnheimen lebenden Aussiedler waren im Osten Ende 2002 rund 40000 Menschen ohne feste Wohnung, im Westen 290000. Auch »Wohlstandsinseln« wie der Neckarraum sind nach Beobachtungen der Diakonie inzwischen von sichtbarer Armut betroffen. In Ballungsgebieten wie München, Stuttgart, Hamburg und im Rhein-Main-Gebiet gebe es offene Wohnungsnot. Die Evangelische Obdachlosenhilfe unterhält bundesweit rund 360 Einrichtungen. Die Diakonie ist nach eigenen Angaben der größte Anbieter von Hilfen für Menschen auf der Straße.
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