Das letzte Hemd für die Chipfabrik

Rund 150 Frankfurter demonstrierten gegen das Scheitern eines weiteren Leuchtturms

  • Henry-Martin Klemt
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.
»Über sieben Brücke musst du gehen«, flötete es Montagabend aus den Lautsprechern. Manche hatten ihre grünen Nostalgie-Schärpen »Keine Gewalt« von 1989 angelegt. Andere trugen Kerzen und Trommeln. Rund 150 Frankfurter waren dem Aufruf des Bürgerbündnisses (BüBü) gefolgt, in der Tradition der Montagsdemos gegen das Scheitern der Chipfabrik in Frankfurt (Oder) auf die Straße zu gehen. »Hier stehen diejenigen, die nicht so leicht aufgeben«, erklärte Renate Bauer vom Bürgerbündnis. »Frankfurt hat sein letztes Hemd gegeben, damit die Chipfabrik kommt.« Hans-Dieter Wachner (BüBü) meinte: »Bei einem ehrlichen Nein von Bund und Land zur richtigen Zeit wäre ein weniger großer Vertrauensverlust eingetreten.« Volker Lewin (BüBü) forderte vom Bundeskanzler öffentliche Antwort darauf, ob es wahr sei, dass ein Konzern mit dem Abbau von 4000 Arbeitskräften gedroht habe, falls die Fabrik in Frankfurt (Oder) entstehe. Dass die Schuld für das »schlechte politische und wirtschaftliche Management« nicht nur beim Kanzler liege, sondern auch bei der Landesregierung, betonte der PDS-Landtagsabgeordnete Frank Hammer. »Jetzt müssen wir zusehen, dass das Institut für Halbleiterphysik mit seinen Forschungsergebnissen nicht ausgeraubt wird.« Die Studentin Kerstin Meier wollte mit ihrer Teilnahme an der Demo »ein Zeichen setzen, dass wir es uns nicht einfach gefallen lassen, wie Einzelne über Wohl und Wehe einer ganzen Region entscheiden.« Allerdings folgen längst nicht alle Frankfurter den Schuldzuweisungen und Verschwörungstheorien, die derzeit in der Stadt Beifall finden. Für den früheren Stadtverordnetenvorsteher Frank Ploß (SPD) war die Demonstration »Ausdruck einer verlogenen Debatte«. »Die Fakten, die uns bekannt waren, reichten zu keinem Zeitpunkt aus, um absolutes Vertrauen in die Chipfabrik zu haben.« Trotzdem hatte die Stadt mit dem Rückhalt der meisten Abgeordneten Millionen Euro in die Erschließung und Versorgung der künftigen Produktionsstätte investiert und die Hoffnungen in der Bevölkerung genährt. Auf einem Teil der Kosten bleibt die Kommune trotz der Einnahmen aus dem Grundstücksverkauf an Communicant sitzen. Auch der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft war bei der Demonstration vertreten. »Wir sprechen hier schließlich nicht von einer kleinen Fabrikhalle mit Verwaltungstrakt. Wir reden von Gedeih und Verderb eines traditionsreichen Standortes der Hochtechnologie und der Mikroelektronik, für dessen Entwicklung Land und Bund bisher viel zu halbherzig eingetreten sind«, so der Landesgeschäftsführer ...

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