Die sichere Meile

  • Rainer Funke
  • Lesedauer: 2 Min.
Dass die gute alte Story vom Sturm auf den Sitzungssaal der Stadtverordnetenversammlung aus dem Jahre 1948 noch heute dafür herhalten muss, die Bannmeile zu rechtfertigen, ist ein ziemlicher Unfug, fußt aber nicht auf der Einfallslosigkeit im Büro des Parlamentspräsidenten. Es zeugt vielmehr davon, dass es keinen wirklich nachvollziehbaren Grund gibt, das Gesetz aufrechtzuerhalten. Außer dem einen vielleicht, dass manch regierende wie auch opponierende Parlamentarier nicht gewillt sind, sich irgendeinem Wählerprotest zu stellen. Das wäre auch einleuchtend, weil nicht gerade wenige Politiker den Wähler nur in Wahlzeiten ernst nehmen. Für den Rest der Legislaturperiode schottet man sich allzu gern ab. Politiker umschreiben den Vorgang damit, einen politischen Raum zu benötigen, in dem sie unbeeinflusst und ungestört entscheiden können. Dass die PDS-Fraktion auf den derzeitigen gesetzlichen Regelungen beharrt und wider eigene Einsicht gegen den Grünen-Antrag stimmen will, den Bannkreis abzuschaffen, folgt politischer Logik und Vernunft. Denn eines steht fest: Der Senat hat andere Sorgen und Aufgaben, als sich über Sicherheitsmeilen zu streiten und zu entzweien. Ähnliche und anno dazumal als bedrohlich empfundene Situationen hat es so nicht mehr geben. Auch jetzt sind keine Anzeichen in Sicht. Selbst wenn, würde das Versammlungsrecht beim Nahen eines unzüchtigen Aufruhrs alle Möglichkeiten bieten, dem Hohen Haus und den Abgeordneten ihren Frieden zu sichern. In diesem Sinne handelt es sich um einen typischen Fall von Eile mit Weile.
Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal