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Im Bekanntenkreis „geblättert“

  • BARBARA THALHEIM
  • Lesedauer: 3 Min.

lern aaaurcn, od sie das tun, was ihre Sache ist, oder nicht, schrieb vor 150 Jahren der Dichter und Philosoph Ralph Emerson.

In meinem Bekanntenkreis jedenfalls ist die Rate derer, die „ihre Sache tun“, rückläufig. Die meisten tun etwas, was auffällig nicht ihre

Sache ist. Sie tun es euphorisch, halbherzig, pflichtbewußt, widerwillig oder mit der Wucht eines Ertrinkenden. Sie machen Schulden, sie bekommen Geld fürs Nichtstun, sie arbeiten schwarz und entziehen sich dem Zugriff der Ämter.

Wir Ostdeutschen müßten nun endlich einmal fragen lernen: Was tue ich für die Gemeinschaft? und nicht andauernd: Was tut sie für mich? warf ein Historiker der Freien Universität Berlin unlängst in einer Diskussion über Heimat, Vaterland, Nation in die Debatte. Ich will das gerne fragen, aber ich kann mich nicht wehren gegen das Gefühl, mich nicht wehren zu können.

Mir geht es so la la, es geht mir eigentlich nicht schlecht, es könnte schlechter gehen, sagen meine Freunde und Bekannten. Ich habe keinen getroffen, der sagt, es geht ihm blendend. Und sie sind alle ungeheuer beschäftigt mit der Lösung ihrer Gegenwartsprobleme. Der Gitarrist hat einen Möbelladen zur Kneipe umgebaut und die Kamerafrau eröffnet im Januar einen Kinderladen. Der Rockmusiker verkauft Computersoftware und ist ständig auf der Suche nach Investoren für seine kleine Firma im Friedrichshain. Und wenn er abends flügellahm in seinem Sessel sitzt, denkt er Sätze wie: „Der Kapitalismus leidet an Kapitalmangel.“ Die Schauspielerin geht zum Aufpacken bei Hertie, der ehemalige DEFA-Regisseur baut Alarmanlagen in die Einfamilienhäuser des Köpenicker Märchenviertels ein.

Der Hausmeister und Elektriker einer ehemaligen Kreisleitung einer ehemaligen Partei in Dresden hat die obere Etage seines Neckermann-Hauses zur Pension erklärt. „Ach Sie“, sagt er zu mir, als ich um 1.00 Uhr nachts nach dem Konzert vor der Tür stehe, i.Rode dürfen bei mich eichendlich njch übernachten, aber gomm' Se, mir sin' ja geine Unmenschen, gomm' Se rein.“ Und er führt mich in ein verkitschtes Puppenheim für einhundert Mark pro Nacht.

Und da sind noch Angelika, Bianka, Britta, Sylvia, Regina, Bernd, Martin und wie sie alle hießen.

Angelika ist aus Japan zurück. Ich bin noch nie in meinem Leben so um die Welt ge-Jet-set-tet, sagt die Filmemacherin. Ich hatte große Lust auf den neuen Film und das erste Mal keine Geldprobleme, hat ja alles der Sender bezahlt.

Bianka ist langzeitarbeitslos. Die ehemalige Lektorin eines Kinderbuchverlages in Halle sitzt im dritten Jahr in ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung. Ich bin

Unsere Autorin ist Liedermacherin; sie lebt in Berlin

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