nd-aktuell.de / 31.12.1993 / Politik / Seite 3

Gauck als IM-Vorlauf

Lügen MfS-Akten ganz, teilweise oder gar nicht?

1993 bescherte uns wieder ungezählte Stasi-„Enthullungen“. Mal gerieten Sportler in Verdacht, mal Politiker- namentlich einer, der sich anschickte, Bürgermeister zu werden - mal Künstler oder Manager. In den meisten Fällen strotzten die Akten von Banalitäten. Gleichwohl dienen sie - wie jüngst in „FAZ“ oder „Spiegel“ - als Seitenfüller. Ein Ende ist, so der Chef der Gauck-Behörde, nicht abzusehen. „Unsere Arbeit wird noch lange weitergehen“, verriet er. Insgesamt 680 000 Bürger haben beantragt, in „ihre“ Akte einzusehen. Die Hälfte hatte gar keine. Wie viele wirklich bespitzelt wurden, weiß bis zur Stunde niemand zu sagen. Ungeachtet dessen - oder gerade deshalb -blühen Verdächtigungen und Denunziationen.

Dr. PETER-MICHAEL DIESTEL, Jahrgang 1952, Rechtsanwalt - er sitzt als CDU-Abgeordneter im Brandenburger Landtag -, weiß als letzter Innenminister der DDR, wovon er spricht, wenn er fordert, das Stasi-Unterlagengesetz zu präzisieren. Unrechtmäßig zusammengetragene Informationen dürften nicht die Würde von Menschen verletzen. Zu seinem Beitrag für Neues Deutschland, der ein bezeichnendes Licht vor allem auf den selbsternannten Richter über Gut und Böse wirft, legt er Wert auf die Feststellung, daß die verwendeten Zitate „nicht aus dem Privatarchiv des Autors“ stammen, sondern „aus öffentlichen Publikationen, gegen welche die im Artikel Genannten rechtlich nicht vorgegangen sind“.