nd-aktuell.de / 31.12.1993 / Kommentare / Seite 10

Demokratie ist machbar

ANDRE MARGGRAF

verbrieften Souverän aufgebürdet haben: Die abgetretene Regierung Münch hat ausgesorgt. In Sachsen-Anhalt bekommt man als Minister nach einer Amtszeit von zwei Jahren 18 Prozent und von drei Jahren 25 Prozent des letzten Gehalts als Pension.

Nun, der Normalbürger erlangt seine Pensions- und Rentenansprüche nach 40 versicherungspflichtigen, Beitragsjahren, wofür er selbst seinen Versicherungsbeitrag im allgemeinen zur Hälfte von seinen monatlichen Bezügen aufbringen muß. Der Beamte, auch der politische Wahlbeamte zahlt nichts und erhält

dennoch mehr. Keine Privilegien? Aber das ist noch nicht alleg: Die ehemaligen Regierungsmitglieder in Sachsen-Anhalt erhalten ein Übergangsgeld, das für drei Monate das volle Amtsgehalt und danach für 33 Monate die Hälfte des Geldes ausmacht. Das sind bei dem drittklassigen West-Import Münch 3 x 17.500 DM plus 33 x 8750 DM und dann lebenslang 4.375 DM. Reiche Ernte.

Niemand wird gezwungen, in den Geschäftsbereich Politik einzusteigen. Das zur Rechtfertigung der überhöhten Diäten oft vorgebrachte Argument, Parlamentarier

hätten eine 70-80 Stundenwoche, ist erstens verlogen (siehe Bundestagssitzungen, Nebentätigkeiten mit Nebeneinkünften etc.) und zweitens demokratiefeindlich. Warum? Weil Millionen Bürger absolut ehrenamtlich, ohne auch nur eine Mark Aufwandsentschädigung zu erwarten oder gar zu erhalten (meist wird noch Geld eingebracht), in Vereinen, in gemeinnützigen oder sozialen Einrichtungen oder Bürgerinitiativen Mühe und Frust auf sich laden. Auch das Argument, die “Unabhängigkeit der Abgeordneten von Zuwendungen Dritter (Bestechlichkeit) mit hohen Diä-

ten gewährleisten zu müssen, ist längst widerlegt.

Politik als Beruf? Nein! Erst wenn Menschen versuchen, Politik aus Berufung zu machen, mit Idealen, welche am Gemeinwohl orientiert sind, wäre eine allgemeine Wohlfahrt der Gesellschaft möglich oder zumindest wahrscheinlicher. Daher kann der Souverän ehrliche Politik nur von denen erwarten, die dieses „Geschäft“ aus jener Berufung betreiben. Ihnen würde ein durchschnittliches Arbeitsentgelt plus nachgewiesener notwendiger Aufwandsentschädigung genügen, bei normaler allgemein üblicher Altersversorgung. Alles andere ist von Übel, wie uns jeder Tag neu zeigt. Die Kandidatenreihen würden sich bei reduzierten Ansprüchen bereits im Vorfeld lichten.

Wo gearbeitet wird, können Fehler auftreten. Wo Fehler

im guten Glauben, das Richtige getan zu haben, zu Tage treten, läßt sich dieses Problem arbeitsrechtlich regulieren. Wo aber Fehler aus Machtgier, -mißbrauch oder Korruption produziert werden, muß es Sanktionen geben. Sie sollten auch für öffentlichen Verwaltungen gelten. Der Schmarotzer und Meineidsschwörer sollten wir uns entledigen.

Was können wir tun ?

Organisieren wir in allen gesellschaftlichen Zusammenhängen (Parteien, Bürgerinitiativen, Betriebsräten etc.) bundesweit ein Volksbegehren mit dem Ziel, - daß die Abgeordnetendiäten und Minister/Kanzlergehälter nicht das durchschnittliche Einkommen des Souveräns übersteigen und die bisherigen und künftigen Pensionsleistungen auf ein normales,

allgemein gültiges 'versicherungspflichtiges Verhältnis gegründet werden; - daß die Abgeordneten, Minister und Staatsbeamten für ihr Tun und Unterlassen strafrechtlich und vermögensrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.

Dieses Volksbegehren sollte spätestens mit der kommenden Bundestagswahl durchgeführt werden und sein Ergebnis bereits für die nächste Legislaturperiode gelten.

„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen.., ausgeübt.“

Nicht Politikverdrossenheit, Resignation, Wahlenthaltung und Rückzug sind die Devise. Organisieren wir die Kampagne! Nutzen wir die Komitees für Gerechtigkeit, sie könnten als Koordinator des Volksbegehrens wirken.