nd-aktuell.de / 31.12.1993 / Brandenburg / Seite 17

Ein Blick in die Bücher – einer ins Leben

Über die zweifelhafte Methode von Wohnungsbaugesellschaften, sich mittels hoher Betriebskostenvorauszahlungen zinsfreie Darlehen in Mil-Bonenhöhe zu verschaffen, haben wir in zurückliegender Zeit mehrfach berichtet. Die Wohnungsbaugesellschaften sahen das natürlich ganz anders und verwiesen erst einmal auf fehlende Daten. Deshalb setzten sie die Betriebskosten in schwindelerregenden Höhen fest - natürlich nur, damit die Mieter später nicht etwa noch nachzahlen müßten.

Als dann die notwendigen Daten vorlagen, wurden die zuviel gezahlten Beträge mit der Miete verrechnet. In der Höhe herabgesetzt wurden Vorauszahlungen aber nicht. Diesmal mit dem Hinweis auf bevorstehende Tarif Steigerungen, obwohl man den Mietern nicht selten 500 Mark und mehr zuviel aus der Tasche gezogen hatte.

Die Freude über die hohen Rückzahlungen ließ die Mieter

vergessen, daß ihnen das Recht zusteht, einen Blick in die Abrechnungsbelege der Wohnungsbaugesellschaften zu werfen. Und solch ein Blick fördert zuweilen Erstaunliches zutage.

Arnim Kolodzig, Kunde der Wohnungsbaugesellschaft Lichtenberg, kann ein Lied davon singen. Da hatte die Wohnungsbaugesellschaft beispielsweise die Wohnblöcke Baikalstraße 1 bis 9 und 11 bis 19 zu einer Wirtschaftseinheit zusammengezogen, auf deren Grundlage die Berechnung der Betriebskosten erfolgte. Für Arnim Kolodzig ist das ungerechtfertigt, da es sich um unabhängige Wohnblöcke handelt.

Was nichts anderes bedeutet, als daß Posten wie Be-/ Entwässerung, Straßenreinigung, Schnee/ Eisbeseitigung, Müllabfuhr, Grundsteuer, Vorgartenpflege, Sach-/Haftpflicht auch getrennt berechnet werden müssen, bemängelt Arnim Kolodzig. Auf die

einzelnen Aufgänge aufzuschlüsseln wären: Hausreinigung, Treppenhaus- und Kellerbeleuchtung und Kosten für den Schornsteinfeger.

An einen Zufall bei der Zusammenlegung zu glauben, fällt schwer. Hat doch die Wohnungsbaugesellschaft in anderen Fällen Häuser mit bzw. ohne Fahrstuhl zusammengefaßt und die Kosten für den Aufzug unter allen Mietparteien aufgeteilt.

Nahezu abenteuerlich erscheinen die Kosten für den Hauswart. Hier wurden 0,78 Mark pro Quadratmeter Wohnfläche veranschlagt. Die vierzig Wohnungen im Block Baikalstraße 11-19 ergeben eine Fläche von über 2 460 Quadratmetern. Das heißt, die Gesellschaft streicht allein in einem Block für den Hauswart knapp 1 920 Mark im Monat ein. In Westberlin sind nach Arnim Kolodzigs Kenntnis 0,20 Mark Hauswartskosten pro Quadratmeter Wohnfläche üblich

Damit nicht genug, wurden die Mieter dann noch für die Wartung der Antennenanlage zur Kasse gebeten, obwohl sie einen Direkt-Vertrag mit einer entsprechenden Firma haben und an diese bereits bezahlten. Beim Posten Schneeund Eisbeseitigung sollen sie für die Beräumung von 113 Meter Gehweg (laut Grundbuch 80 Meter) und 24 Meter Wirtschaftsweg (gar nicht vorhanden) zahlen.

Nach Einsicht der Unterlagen wies der aufgeschreckte Mieter Ende November dieses Jahres die Betriebskostenabrechnung für den Zeitraum vom 1. Oktober 1991 bis 30. September 1992 zurück und forderte eine unverzügliche Neuberechnung. Die WohnungsbaugeselFschaft reagierte prompt: Großzügig bot sie einen Gesprächstermin am 15. März 1994 an, um die aufgeworfenen Fragen zu beantworten. Derweil das Geld der Mieter auf der Bank fröhlich Junge wirft