nd-aktuell.de / 08.01.1994 / Politik / Seite 1

Viele werden Sozialfälle auf Dauer

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Berlin (ND-Schmollack/ADN). Nach Angaben des Mieterbundes wachsen etwa eine halbe Million Kinder in Obdachlosendiedlungen oder anderen miserablen Wohnverhältnissen auf. Mieterbunddirektor Helmut Schlich: Wohnungssuchende mit niedrigem Einkommen hätten nur geringe Chancen, eine bezahlbare Wohnung zu finden. In über 40 Prozent aller Fälle stießen Familien mit Kindern bei den Vermietern auf Ablehnung. Alleinerziehende seien sogar zu 76 Prozent betroffen.

Angesichts der sozialen Notlage vieler Familien, Alleinerziehender, Kinder und Jugendlicher fordert der Mieterbundsdirektor, die 90er Jahre zu einem Jahrzehnt des generationgerechten Wohnungs-

baus zu machen. Bund, Länder und Gemeinden müßten jährlich mindestens 200 000 neue Sozialwohnungen fördern. Außerdem verlangt der Mieterbund ein Wohnungstauschprogramm zugunsten

von Familien. Viele ältere Menschen, die in großen Wohnungen leben, würden gern tauschen, wenn ihnen Kostenhilfe zugesichert wären.

Nach Angaben des Deutschen Kinderschutzbundes sind bereits mehr als eine Million Kinder in ihrer psychischen, sozialen und gesundheitlichen Entwicklung gefährdet. Sie sind, noch bevor sie volljährig werden, auf Sozialhilfe angewiesen, haben keine oder nur eine sehr schlechte Ausbildung und

kaum Chancen, in den Arbeitsmarkt einzusteigen. In Hamburg gibt es bereits „regelrechte Ghettos der Armut“, so Stadtentwicklungssenatorin Traute Müller (SPD).

Die-Vereinten Nationen haben 1994 zum Internationalen Jahr der Familie ausgerufen. Die Familie sei vom „Aussterben bedroht“, Trend ist der Single-Haushalt - unter anderem, weil Familien und Alleinerziehende immer mehr benachteiligt sind.

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