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  • Kultur
  • Findet der unwürdige Tanz um den Bau des Jüdischen Museums in Berlin ein Ende?

Drei Schritte vor, zwei zurück

  • Lesedauer: 3 Min.

Seit Anfang Oktober sind die Räume des Berlin-Museums verschlossen, die wichtigsten Exponate in den nahen Martin-Gropius-Bau ausgelagert. Später sollen sie vorübergehend im Ephraim-Palais gezeigt werden. Der Grund: Die Arbeiten am Neubau des Jüdischen Museums, bislang ebenfalls im Berlin-Museum unter-““ gebracht, machen den,Ausstellungsbetrieb bis auf weiteres unmöglich.

Wenn der vielbeachtete Entwurf des amerikanischen Architekten Daniel Libeskind fertiggestellt sein wird, steht in Berlin nicht nur einer der architektonisch aufregendsten Museumsneubauten der letzten Jahre, sondern wird auch der Schlußstrich gezogen sein unter eine streckenweise unwürdig geführte politische Debatte. Mehr als zwanzig Jahre mußten vergehen, ehe der Plan umgesetzt wurde, dem 1968 gegründeten Jüdi-

schen Museum, das sich seit 1971 in den Räumen des ehemaligen Kammergerichts in der Lindenstraße befand, ein eigenes Haus zu bauen. Lange Zeit dümpelte das Vorhaben in den Schubladen der Politiker vor sich hin, bis endlich der rot-grüne Senat 1988 ei-_nen.internatianalen.Axchitekr-., ten-Wettbewerb ausschrieb.

“ &en' 1 ge'wa'nn im folgenden Jahr der 1946 in Lodz geborene, damals in Mailand lebende Amerikaner Daniel Libeskind. Der jüdische Architekt mit weltweitem Renommee hatte einen aufsehenerregenden Bau vorgeschlagen: halb Museum, halb eigenständige Skulptur, der Grundriß einem zersplitterten Davidstern ähnlich, die Außenwände beschichtet mit fast schwarzem Graphit. Nur wenige, meist spitzwinklige Fensteröffnungen durchbrechen die Mauern, die hier noch unbezwingbarer

erscheinen als anderswo. Libeskinds Entwurf ist Museum und Symbol, ja Mahnmal zugleich und damit eine adäquate Hülle für die Aufgabe, heute in Deutschland jüdische Geschichte, Kunst und Wissenschaft zu präsentieren.

Doch dann kam die Wende “mitsamt den“mittlerweile hin-, ^anglich bekannten Kosten,was die inzwischen im Senat mitregierende CDU im Frühjahr 1991 veranlaßte, sich die Sache noch einmal anders zu überlegen. Der Rotstift wurde gezückt, der Auftrag an Libeskind, der inzwischen eigens für dieses Projekt nach Berlin gezogen war, auf Eis gelegt. Berlin, vor der Naziherrschaft immerhin die Stadt in Deutschland mit der bei weitem größten jüdischen Gemeinde, habe momentan Dringlicheres zu tun, als den Juden ein Museum zu bauen, ließ der Fraktionsvorsitzende

der CDU, Klaus Landowsky, verlauten.

Darauf gab es geharnischte Proteste von Architekten, Künstlern, Museumsleuten und Interessenverbänden aus aller Welt. Durch die offenbar unerwartete Resonanz aufgeschreckt, beeilte sich die CDU,

-ihre–Absage-- -an ..... Libeskind–

rückgängig - zu, machen, forderte an dem prämierten Entwurf jedoch einige die Kosten senkende Veränderungen. Auffälligstes Resultat der Überarbeitung ist die Begradigung der Außenwände. Zuvor waren sie schräg verlaufen und hätten das Gebäude vollends zu einer expressiven Geste stilisiert. Dem Bau werden diese Änderungen zwar einiges an Faszination nehmen, einzigartig ist er aber immer noch. 1998, so die jüngsten Prognosen, soll das Jüdische Museum eingeweiht werden.

ULRICH CLEWING

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