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  • Wissen
  • Insekten als Vorbilder der jüngsten Robotergeneration

Wendige Metallspinnen lernen laufen

  • RUTH HENKE
  • Lesedauer: 5 Min.

In den Geschichten des Science Fiction-Autors Isaac Asimov gingen bereits 1950 Robotergesetze um die Welt. Die Realität aber ist noch immer weit von Asimovs Utopie entfernt, denn die jüngste Robotergeneration ist noch damit beschäftigt, richtig laufen zu lernen.

Weltweit arbeiten Roboterkonstrukteure daran, ihren Gehmaschinen gefühlvolles Laufen in unwegsamem Ge- f lande beizubringen. Die Vorbilder suchen sie immer häufi-, ger in der Natur - so auch Dr.-Ing. Friedrich Pfeiffer von der Technischen Universität München. Für ihn sind „biologische Systeme nahezu perfekt und hocheffizient“ und deshalb ideal als Vorbild für den Entwurf einer Gehmaschine. Sein Ziel ist der Bau eines lernfähigen Roboters auf der Grundlage biologischer Prinzipien, der sich in schwierigen Situationen selbst zu helfen weiß. Deshalb nahm er mit Professor Holk Cruse Kontakt auf, der an der Universität Bielefeld seit langem die Fortbewegung von Stabheuschrecke und Flußkrebs erforscht.

Cruse konnte auch erste Computersimulationen mit den Modellen des tierischen Laufens bieten. Bestimmte Eigenschaften des Insekts machen es zur optimalen, lebendigen Maschinenvorlage: Die Stabheuschrecke ist ein langsam krabbelndes, relativ gro-ßes Insekt, dessen Bewegungen sich gut beobachten lassen. Seine sechs gleich langen Beine besitzen nur drei Gelenke und werden einzeln gesteuert. Diese dezentrale Steuerungsstruktur entspricht den Prinzipien, die der Programmierung künstlicher neuronaler Netze zugrunde liegen. Die Heuschrecke verfügt mit ihren Fühlern und Tastorganen an den Vorderbeinen über ein leistungsfähiges System von Sensoren auf kleinstem Platz,

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Umgebung blind erkunden kann.

Noch ist die Natur perfekter »als der technische,Nachbau,. Die künstlichen Sensoren auf '. dem Maschinenbeih sind im v Vergleich zu den natürlichen Sinnesorganen plump und liefern nur eine begrenzte Zahl von Informationen. Vorerst kann die elektrische Heuschrecke nur geradeaus laufen. In den nächsten Monaten muß die Stabheuschrecke deshalb viele Runden auf der Experimentierbahn im Bielefelder Labor drehen. „Wenn wir die Regeln erfaßt haben, bringen wir der Maschine das Kurvenlaufen bei“, erläutert Holk Cruse.

Vier Jahre dauerte es allein, bis in München das Heuschrecken-Roboterbein entwickelt war. „Seit Oktober läuft unsere erste sechsbeinige Maschine“, verrät Dr. Pfeiffer. Ohne aus dem Tritt zu kommen, soll sie spielend Hindernisse überwinden können. Für die Forschungsarbeiten hat die Körber-Stiftung für die Europäische Wissenschaft, Hamburg, insgesamt 1,25 Millionen Mark zur Verfügung gestellt, die außer Cruse und Pfeiffer auch dem Moskauer Robotiker Felix Tschernusko und dem Marseiller Neurobiologen Francois Clarac zugute kommen, der die neuronale Steuerung von Krebsen und Langusten untersucht. Unter der Leitung des Münchener Roboterfachmanns wollen die vier Wissenschaftler in den nächsten zwei Jahren ein Labormodell eines wendigen, sechsbeinigen Rohrinspekteurs mit einer intelligenten Laufsteuerung entwickeln.

Zwei Jahre später soll der Metallkrabbler durch die verschlungenen und holprigen Rohre kommunaler Abwassersysteme wandern und - mit einer Kamera ausgerüstet undichte oder verstopfte Stellen aufspüren.

Die Insekten dienen auch

.- Quinh von der Gase Reserve University in Cleveland, Ohio, hat die amerikanische Schabe als Vorbild für sein sechsbeiniges Robotermodell gewählt. Sogar die Steuerung will der amerikanische Forscher von den unbeliebten Schädlingen übernehmen und ein künstliches neuronales Netz zur Kontrolle des Roboters entwickeln, das auf dem Nervensystem der Insekten basiert. Selbst der „Roboterguru“ Rodney Brooks vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) mit seinen spektakulären Laufgeräten holt sich Anregungen von den Bielefelder Biologen.

Auch am Portech Mobile Robotics Laboratory der Universität von Portsmouth in Großbritannien beschäftigt man sich mit dem Bau künstlicher Insekten. Ihr jüngster Klettermax Robug II, dessen sechs feingliedrige Beine an Spinnen erinnern, ist in seiner Bewegungsfreiheit allerdings strengen Regeln unterworfen. „Solange nicht wenigstens drei Beine festen Halt haben, darf Robug kein Bein bewegen“, betont Arthur Collie, der die Metallspinne entwickelt hat. Außerdem ist genau vorgegeben, wie sich Robug mit seinen dünnen Metallbeinen gefühlvoll vorwärtstasten kann, ohne die Lauffläche zu beschädigen. So zieht und stemmt sich Robug steile, glatte und unebene Wände im Portsmouther Labor hoch. Zwei pneumatische Beinzv-

linder, seine Hüft- und Schenkelmuskeln, geben ihm Beweglichkeit nach allen Richtungen, die Saugnäpfe an den Füßen den nötigen Halt. Mit Sensoren an jedem Bein ausgerüstet, ertastet und überwindet der Kletterroboter die Hindernisse. Nach den erfolg-

hofft* der Entwickler, Robug der britischen Atomindustrie zur Inspektion von Kernreaktoren verkaufen zu können.

Gehmaschinen, die auch in unbekanntem Gelände arbeiten können, erfordern einen hohen wissenschaftlichen Aufwand. „Kein Wunder, daß in Europa die Forschungsaktivitäten im Vergleich zu den USA, Japan oder selbst Rußland bislang gering waren“, klagt Aarne Halme von der Technischen Universität Helsinki in Espoo. Der hier entwickelte finnische Automat Mecant I steht kurz vor seinem ersten Praxiseinsatz. Gemeinsam mit dem japanischen Mechanical Engineering Laboratory (MEL), einem finnischen Forstmaschinenhersteller und dem Technischen Forschungszentrum Finnland hat Aarne Halme einen bodenständigen Waldroboter konstruiert. Mecant I, so versichert der finnische Entwickler, „ist die am weitesten fortgeschrittene Maschine in ganz Europa“ Angetrieben von einem ultraleichten 2-Zylinder-Flugzeugmotor von 38 Kilowatt, soll der sechsbeinige Eintonner noch Ende 1993 durch die skandinavischen Wälder staken. Ein Roboterführer wird das 1100 Kilogramm schwere Rieseninsekt dann über Joystick fernsteuern; der Gasmotor und das Echtzeit-Computernetzwerk für die automatische Bewegungskontrolle an Bord machen Mecant außerdem unabhängig von der Steckdose.

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