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  • Vor 125 Jahren erschien eine Artikelserie, die Rußland als Hort der Prawda definierte

Die Bibel der Slawophilen

  • Lesedauer: 2 Min.

1869 erschien in der Petersburger Monatsschrift „Sarja“ (Morgenrot) eine längere Artikelserie. Zwei Jahre später konnte man sie in einem Buch nachlesen. Als Verfasser zeichnete Nikolai Jakowlewitsch Danilewski (1822 -1885). Der Titel des Buches, das in kurzer Zeit mehrere Auflagen erlebte, war: „Rußland und Europa. Eine Untersuchung über die kulturellen und politischen Beziehungen der slawischen zur germanisch-romanischen Welt.“ In Deutschland brachte die Deutsche Verlags-Anstalt in Stuttgart Danilewskis Buch 1920 auszugsweise in der vortrefflichen Übersetzung von Karl Nnt.zel heraus.

Nikolai Danilewski entstammte einer Offiziersfamilie. Er diente im Krigsministerium, interessierte sich jedoch sehr stark für naturkundliche Fragen, insbesondere für die Botanik. In seiner Jugend sympathisierte er zeitweilig mit den sozialistischen Ideen des Utopisten Charles Fourier. Unter dem Verdacht, am revolutionären Zirkel von Butaschewitsch-Petraschewski teilgenommen zu haben, wurde er in der Peter-Pauls-Festung inhaftiert, kam nach hundert Tagen frei, mußte allerdings zur Strafe den Kanzleidienst in der Provinz fortsetzen. Hier entschied sich sein weiterer Lebensweg.

Danilewski folgte seinen ausgeprägten naturkundlichen Neigungen und beteiligte sich ab 1853 an mehreren wissenschaftlichen Expeditionen

zur Erforschung des Fischfangs auf der Wolga, im Kaspischen Meer, im Weißen Meer und im Eismeer. Da die Expeditionstätigkeit saisonbedingt war, nutzte Danilewski die Winterpause, um seinen geisteswissenschaftlichen Interessen nachzugehen. So entstand in den Wintermonaten der Jahre 1865-1867 sein Buch „Rußland und Europa“

Als das Buch erschien, wird der Verfasser kaum geahnt haben, daß diese Schrift tiefe Spuren im sozialpolitischen Denken Rußlands hinterlassen sollte. Kein geringerer als Fjodor Dostojewski äußerte sich begeistert und bezog das Buch in seine eigenen geschichtsphilosophischen Betrachtungen ein. Die Slawophilen in Rußland empfanden Danilewskis Werk als eine „Bibel“, als eine Offenbarungsschrift, von der man letzten Aufschluß über Rußlands Platz in der Weltgeschichte zu erhalten hoffte. In Westeuropa wurde Danilewski nach dem Erscheinen von Oswald Spenglers „Untergang des Abendlandes“ (1923) stärker beachtet. Man erblickte in ihm - nicht zu Unrecht - einen Vorgänger Spenglers.

Danilewskis zentraler Gedanke war, daß Rußland im kulturhistorischen Sinne nicht zu Europa gehört. Ruß-

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