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  • Brandenburg
  • Spätes Gutachten zur Bauplanung am Potsdamer Platz lange unter Verschluß

Verlust wertvollen Lebensraums droht

  • Klaus Kimme
  • Lesedauer: 3 Min.

In einer von der Bauverwaltung in Auftrag gegebenen Untersuchung zur Umweltverträglichkeit der Bauvorhaben am Potsdamer Platz kommt das Büro für Kommunal- und Regionalplanung zur Einschätzung: '„Der großflächige Verlust ökologisch wertvoller Lebensräume mit stadtklimatisch bedeutsamen Ausgleichswirkungen kann... auf diesem Standort nicht vermieden werden.“ Obwohl „gravierende ökologische Risiken der Vorhaben“ ermittelt wurden, stellten die Gutachter die Bauplanung nicht grundsätzlich in Frage.

Neben Vorschlägen wie der Verlagerung der Wohnnutzung in weniger durch Luftschadstoffakkumulation gefährdete Bereiche, Lärmschutzvorkehrungen oder Verlagerung des Lenne-Parks beschränkte man sich darauf, den „Einsatz aller verfügbaren schonenden Bau- und Si-

cherungstechniken sowie ein großzügigeres Grünangebot einzufordern.

Diese zögerliche Reaktion kritisierte am Freitag der umweltpolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/ Grüne, Hartwig Berger. Offenbar seien die Gutachter - mehr oder weniger bewußt - bereits davon ausgegangen, daß der Senat seine Bebauungsplanung ohnehin nicht mehr grundlegend ändern werde, vermutete er.

Insbesondere für das Grundwasser, die Grünflächen, das Stadtklima und das Verkehrsaufkommen ergeben sich aus der Studie zum Teil alarmierende Zeichen. So müßten jährlich etwa 20 Millionen Kubikmeter Grundwasser abgepumpt werden, was 7 Prozent der gesamten Trinkwasserfördermenge der Stadt entspricht. Schon bei einer Entnahme von nur 6 Mil-

lionen Kubikmetern senke sich aber nach Ansicht der Gutachter der Grundwasserspiegel unter dem Tiergarten um 1,7 Meter. Neben einer großflächigen Schädigung der Vegetation könnten auch Gebäudeschäden (der Reichstag steht auf Holzpfählen) nicht ausgeschlossen werden.

Das Stadtklima, so erläuterte die baupolitische Sprecherin der Fraktion, Elisabeth Ziemer, werde durch die Bebauung nachdrücklich geschädigt, da das gesamte Planungsgebiet Teil einer großräumigen Nord-Süd-Belüftungsachse ist. Insbesondere in Mitte, Kreuzberg und Schöneberg werden die durchschnittlichen Temperaturen ansteigen, die Durchlüftung dagegen nehme spürbar ab.

In bezug auf den Straßenverkehr kommen die Gutachter zum Schluß, daß allein der Durchgangsverkehr um 61

Prozent zunehmen wird. Fahrleistungen unter 10 km/h werden dabei rund ein Drittel ausmachen, in Spitzenzeiten sogar bis zu 60 Prozent. Luftverschmutzung und Lärmbelastung dürften damit weit über den Grenzwerten liegen, schlußfolgerte Frau Ziemer.

Die Tatsache, daß das Gutachten erst in Auftrag gegeben wurde, als wichtige Eckpunkte des Bauvorhabens mit den Investoren beraten und festgelegt waren, wertete die Fraktion Bündnis 90/ Grüne als neuerlichen Beweis für die Lebenslüge des Senats, in Berlin werde Stadtplanung nach ökologischen Vorgaben betrieben. Obwohl der Bebauungsplan seit Monaten in der Erörterung ist, wurde die Studie erst Ende 1993 in einer Kurzfassung an die Fraktionen des Abgeordnetenhauses übergeben.

KLAUS KIMMEL

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