nd-aktuell.de / 31.12.2003 / Sport

Treuhand in der Olympiabewerbung

Michael Müller
Im kommenden Jahr sind in Athen die XXVIII. Sommerspiele. Aber Deutschland war schon 2003 in gewisser Weise olympisch. Zumindest dann, wenn man olympisch statt mit Sport eher mit (Ruf)-Mord assoziiert. Der »Skandal« um die Leipziger Olympiabewerbung für 2012 wurde zum sportpolitischen Tiefpunkt des Jahres. Alles hatte damit begonnen, dass Leipzig - die einzige Ost-Stadt unter ursprünglich fünf Bewerbern - am 12. Mai vom NOK in geheimer Wahl zu der deutschen Bewerberstadt für 2012 gekürt wurde. Danach gab es lange Gesichter und böse Bemerkungen im Westen und dann lange nichts. Leipzig und sein OB Wolfgang Tiefensee zeigten sich indes höchst ambitioniert und dominierten die Bewerbung personell wie medial. Das ging so lange, bis »Die Welt« am 4. Oktober aus einem ihr durch die Dienststelle des sächsischen Stasi-Beauftragten zugespieltem »Dossier« veröffentlichte: Olympia-GmbH-Geschäftsführer Dirk Thärichen hätte zu DDR-Zeiten als 19-Jähriger fünf Monate im MfS-Wachregiment Feliks Dzierzynski gedient. Da sich Thärichen - und kurzzeitig auch OB Tiefensee - halsstarrig zeigen, legt man nach. Am 15. Oktober werden (von einer Sekretärin sowie von einem entlassenen Mitarbeiter kopierte) Unterlagen in die Presse lanciert, die Thärichen »dubioser Geschäftspraktiken« bezichtigen. Der Aufsichtsrat entlässt ihn am 18. Oktober »auf Verdacht«. Im Verlauf weiterer »Enthüllungen« werden - vor allem auf Betreiben des Aufsichtsratsmitgliedes und Bundesinnenministers Otto Schily (SPD) - weiter aus Funktionen und Verträgen gedrückt: Jens Fuge, Geschäftsführer der Leipziger PR-Agentur Westend, Sachsens Landessportbund-Präsident Hermann Winkler (als Aufsichtsratsmitglied), Sachsens Olympia-Staatssekretär Wolfram Köhler, Leipzigs Olympiabeauftragter Burkhard Jung. Parallel dazu vollzieht sich eine personelle »Erneuerung« in der Olympia-Bewerbungsspitze, für die solche Namen exemplarisch sind: Ex-Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff, Bernd Rauch, Vizepräsident des FC Bayern München, Peter Zülsdorff, Ex-Vorstandschef der Wella AG, Arend Oetker, geschäftsführender Gesellschafter der gleichnamigen GmbH & Co KG, Lothar Späth, Ex-Vorstandschef der Jenoptik AG... Im Aufsichtsrat sind noch drei von 16 Sitzen ostdeutsch, im Kuratorium einer von sieben. Damit ähnelt das Spitzen-Personaltableau der Leipziger Olympiabewerbung von Herkunft und Zunft dem der einstigen Treuhandgesellschaft immer mehr. Und auch die Devise ist die gleiche: Wir wissen, was für den Osten gut ist, und wir zeigen ihm, wos lang geht.