Von Gewalt gegen jene, die »anders« sind

Neue Dramatik bei der »Roten Grütze« in Berlin

  • Ingeborg Pietzsch
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.
Das Stück heißt »Zum Beispiel Harun« und stammt von Holger Franke und Harun Rashid; aufgeführt im Berliner Kindertheater »Rote Grütze«. Das Engagement ist groß und die Haltung sympathisch. Holger Franke liest vor zwei Jahren über den Prozess gegen fünf Jugendliche, die in einer Sommernacht den 15-jährigen irakischen Jungen Harun überfallen und brutal zusammengeschlagen haben. Es kommt zum Prozess. Der Bericht steht in der Zeitung. Franke sucht den Kontakt zu Harun. Sie freunden sich an. Gemeinsam schreiben sie dieses Stück. Es geht darin um Gewalt gegen Ausländer und gegen die, die »anders« sind. Es geht um Demütigungen, Selbstbehauptung, Hilflosigkeit und Feigheit in schwierigen, aggressiv aufgeladenen Situationen. Holger Franke bringt in das Stück Erlebnisse seiner eigenen Kindheit und Jugend ein, sehr ehrlich, sehr integer. Der Schauspieler, der alle angedachten Figuren allein verkörpert - Harun, sich selbst, Polizisten, Freunde, Schulkameraden, die rechten Schläger - wird in der Spielstätte des Zirkuszeltes Cabuwazi nur von einem Akkordeon unterstützt (Anja Dolack). Durch Wechsel auf unterschiedliche Podeste oder Gänge ins Publikum werden Schauplätze markiert. Die Redlichkeit des Unternehmens steht außer Frage; ihre appellative Richtungsweisung ist gut gemeint. Aber das Stück krankt an seiner Zuständlichkeit. Wir erfahren über Zeitungsberichte hinaus wenig Neues - erleben hingegen die detaillierte Darstellung des brutalen Überfalls. Hintergründe, kausale Bezüge, unabgegriffene Fragestellungen werden zu wenig mitgeliefert bzw. gar nicht aufgeworfen. Und die sehr einfühlsame Spielweise des Darstellers lässt kaum Brüche zu. Oft ist es nur der Wechsel der Schauplätze, der das Erkennen einer anderen Figur ermöglicht. Das alles ist einfach zu wenig, um Jugendli...

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