Kochduell um Volkes Gunst

Im Wahlkampf sollen die Spitzenkandidaten Parteipolitik »verkaufen«

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: ca. 3.5 Min.

Stärker denn je zuvor werden Personen den Landtagswahlkampf in Sachsen bestimmen - eine Banalisierung des Wahlkampfes ist dennoch nicht zu befürchten.

Muss ein sächsischer Ministerpräsident gut kochen können? Wollen die Bürger einen Menschen an der Spitze der Regierung, der neben der Hoheit am Kabinettstisch auch die am heimischen Herd hat? Diese Fragen stellen sich, seit Regierungschef Georg Milbradt (CDU) im Oktober in Riesa eine Nudelfabrik einweihte. Er koche gern, bekannte der 58-Jährige - und sogar besser als seine Frau. Milbradt hat Konkurrenz. Auch PDS-Fraktionschef Peter Porsch beweist sich an Topf und Pfanne. In einer Rezeptserie auf seiner Homepage wartet er mit Gaumenfreuden wie »Grenadiermarsch« oder »Rohscheiben mit Spiegelei« auf. Die Rubrik heißt »Armeleute-Essen«. Die Botschaft des Sozialisten: Auch Inhaber kleiner Geldbörsen sollen schlemmen dürfen. Anhänger politischen Sachstreits mögen das Buhlen um die Wählergaumen skeptisch sehen. Denn neun Monate vor der Landtagswahl ist das Kochduell zwischen Porsch und Milbradt bereits Teil des Wahlkampfes. Dieser wird im Freistaat stärker denn je auf Personen zugeschnitten sein. Vor allem CDU und PDS vertrauen auf die Zugkraft ihrer Frontmänner. Die SPD hat nach der Absage von Wolfgang Tiefensee eher schlechte Karten. Die Union setzt mit der Konzentration auf den Ministerpräsidenten eine bewährte Strategie fort. Früher wurde allein auf die Popularität von Kurt Biedenkopf vertraut. Auf CDU-Wahlplakaten war sein Gesicht zu sehen; jeder Hinweis auf die Partei fehlte. Diese Bekannt- und vor allem Beliebtheit fehlte Milbradt lange, weshalb Strategen erwogen, Themen oder ein Team in den Mittelpunkt zu stellen. Allerdings sind viele Minister graue Mäuse. Dagegen hat Milbradts Auftreten in Gummistiefeln während der Flut 2002 ihm nicht nur das Renommee eines Machers verschafft, sondern auch zu der Überzeugung geführt, dass er als Zugpferd taugt. Gearbeitet wird derzeit am Bild des Menschen Milbradt. Dabei soll Peter Radunski helfen. Der Berater in vielen Unions-Wahlkämpfen hat zuletzt in Sachsen-Anhalt den als dröge geltenden Ex-Gynäkologen Wolfgang Böhmer erfolgreich als »Geburtshelfer« für das Land inszeniert. Auch Milbradt, dem Professor und Ex-Finanzminister, haftet die Reputation an, spröde zu sein. Jovial gemeinte Gesten wirkten oft peinlich, etwa, als er Flutopfer fragte, wie den die Stimmung sei. Putzige Postkarten oder Familienfotos sollen nun das Image verbessern - wobei es der Glaubwürdigkeit abträglich ist, dass vermeintliche Enkel geborgt wurden. Familienbilder aus dem Hause Porsch, der als Spitzenkandidat sogar einen eigenen Wahlkampfetat bekommt, haben es bisher eher nicht in Boulevardblätter geschafft. Trotzdem lässt der PDS-Mann keine Gelegenheit aus, sich auch als launiger Unterhalter und geselliger Mensch zu zeigen. Mal kritisiert er den frühen Unterrichtsbeginn an Sachsens Schulen, wobei sein Sohn als Argumentationshelfer dient; mal lädt er Wetten-dass-Moderator Thomas Gottschalk zur Einlösung einer Saalwette nach Dresden ein. Während Skeptiker nun eine Banalisierung und »Amerikanisierung« der Politik fürchten, bleiben Fachleute gelassen. Der Berliner Politologe Oskar Niedermeier sieht in der Konzentration auf Personen gar eine »Professionalisierung« der Wahlkämpfe. Nach der Logik des Fernsehens, sagt Niedermeier, sind Personen besser als abstrakte Themen oder Ereignisse geeignet, Politik zu vermitteln. Eine »Sinnentleerung der Politik« finde deshalb nicht statt, sagt der Augsburger Parteienforscher Frank Brettschneider. Vielmehr verliehen die Kandidaten den Programmen »Gesicht und Stimme«. Ziel sei, die Botschaften »nach allen Regeln der Kunst zu verkaufen«. Politisch indes müssen diese sein, um Erfolg zu haben, sagt Brettschneider. Menschliche Ausstrahlung oder Glaubwürdigkeit eines Kandidaten nähmen Wähler zwar zur Kenntnis. Studien belegen aber, dass Kompetenz, Führungsstärke oder Tatkraft viel wichtiger seien. Debatten wie die um die Farbe von Kanzler-Haaren seien geeignet, Aufmerksamkeit zu erringen. »Dann müssen aber Sachaussagen folgen«, sagt Brettschneider: »Wer nichts zu sagen hat, sollte froh sein, keine Aufmerksamkeit zu bekommen.« Diese Erkenntnis scheinen sowohl Milbradt als auch Porsch zu beherzigen. Der PDS-Mann drängt mit Äußerungen zu Steuerreform, Pendlerpauschale und Olympia an die Öffentlichkeit. Für Ende Januar lädt er zur Vorstellung eines Alternativen Konzeptes der PDS zur Landesentwicklung ein. Es gilt als wichtiger Schritt, um dem Handlungsmonopol der Regierung einen Beweis eigener Tatkraft entgegen zu setzen. Unisono suchen beide Spitzenkandidaten, die Aufmerksamkeit auf fachliche Qualitäten und politische Botschaften zu lenken. »Besser Fach- als Showmann«, sagt Milbradt und fügt an: »Ich bin, wie ich bin, und werde mich nicht verstellen.« Sein PDS-Kontrahent versichert, dass »Design ohne Sein in die Irre führt«. Jede Politik brauche »Werte, die nicht erst durch die Werbeabteilung im Wahlkampf erfunden werden«. Welche das sind, hat Porsch in einem »Bürgerbrief« an sächsische Haushalte erläutert, der so heißt es, große Resonanz gefunden hat. Trotzdem hinkt er im Bekanntheitsgrad noch hinter Milbradt her. Als unlängst Beschäftigte eines Kohleunternehmens im Landtag eine Petition an die Fraktionschefs übergeben wollten, fragte der Betriebsratsvorsitzende, ob denn »der Herr Porsch noch kommt«. Der direkt vor ihm Stehende meldete sich: Er sei »der Kleinste und Dünnste«. Die Popularität des Spitzenmannes muss also noch wachsen. Ob durch Talksh...

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