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1. Lassen Sie uns über Chancen reden

  • Lesedauer: 4 Min.

Zu viele in Deutschland reden nur über die Bedrohungen. Lassen Sie uns auch von den Chancen reden, bevor sie zerstört worden sind. Zu viele hier wollen wieder nur Kon-.tinuität ohne Erneuerung. Wie die Honecker-Führung in den 80er Jahren. Lassen Sie uns dagegen neue Möglichkeiten erkunden, sonst wird unsere Zukunft vertan. Zu viele kämpfen nur um ihren Anteil am kleiner werdenden Kuchen. Lassen Sie uns anfangen, das Brot des 21. Jahrhunderts für alle zu harken

Die Botschaft, die uns täglich verkündet wird, ist erschreckend einfach: Wir, die wir in Deutschland leben, seien bedroht. Wir seien bedroht durch die Japaner oder zum Beispiel die Südkoreaner, die uns niederkonkurrieren könnten, so daß wir verarmen würden. Deshalb müßten wir so werden, wie sie angeblich sind. Auf deutsch soll dies heißen: Steuerbegünstigungen für die Reichen und Sozialabbau bei den Armen, weniger und unsichere Arbeitsplätze, Frauen an den Herd, weniger Rücksicht auf die Ökologie, „Ausländer raus“ Humanität rechne sich nicht mehr. Soll daraus wirklich neue Produktivität erwachsen? Wir seien bedroht durch Rußland und den Islam, die uns in neue Kriege hineinziehen könnten. Deshalb müßten wir uns wappnen. Auf deutsch soll damit gesagt werden: Sicherheit durch schnelle militärische Eingreiftruppen, Abschreckungskapazitäten und der nukleare Knüppel. Werden wir damit wirklich sicherer? Wir seien bedroht durch die Verelendung, durch Aids, durch Umweltkatastrophen in der Dritten Welt. Deshalb müßten wir uns sie vom Halse halten. Auf deutsch gesprochen: Asylantragsteller werden abgeschoben, Rüstungsexporte für „unsere Freunde“ vor Ort, Geld, das sie noch abhängiger macht von uns. Und damit wollen wir uns wirklich retten? Zu viele reden über Bedrohungen und schüren Ängste. Die Vorschläge sind fast durchgehend defensiv und wiederholen die Fehler der Vergangenheit. Dabei gibt es Chancen wie nie zuvor. Vieles, woran anzuknüpfen wäre. Und völlig neue Möglichkeiten. Warum spricht kaum jemand über sie?

So viel Zukunft und nichts als Angst? Wer bedroht eigentlich wen? Und warum? Sind nicht wir selbst es, die vor allem die Chancen zerstören, weil wir uns und die Gesellschaft nicht zu öffnen vermögen für die neuen Möglichkeiten? Weil wir keine Alternative finden zur ? Vierjahresverwaltung durch die etablierten Parteien, die nur den Status quo kennen. Weil wir den Markt nicht so umzubauen vermögen, daß er Arbeitsplätze für alle schafft und naturerhaltend wirkt. Weil wir das „Frieden schaffen mit viel weniger Waffen“ und durch kollektive Sicherheit immer noch nicht gelernt haben. Weil wir uns diese Ohnmacht tagtäglich neu einreden lassen?

Lassen Sie uns zurückblicken auf die letzten fünf Jahre: Die großen Chancen der Vereinigung der beiden deutschen Staaten wurden durch Beitritt und Anschluß bewußt zerstört. Die Bundesrepublik sollte so bleiben, wie sie war. Deshalb wird sie jetzt so schlecht wie nie zuvor. Die von den Herrschenden betriebene Blockade einer demokratischen und sozialen Veränderung der Bundesrepublik erweist sich als das wirksamste Instrument der Konservativen und Rechten, die sozialen, demokratischen und rechtsstaatlichen Standards der BRD zu verringern. Anstelle einer neuen gemeinsam und öffentlich diskutierten Verfassung wurde, zuerst die Deutsche Mark eingeführt. In Deutschland seit 1929 nicht gekannte Arbeitslosigkeit, soziale Unsicherheit und Verarmung sind die Folgen. Die großen Chancen des KSZE-Prozesses wurden durch den Alleinvertretungsanspruch der NATO und der WEU bewußt untergraben. Sie sollten so bleiben, wie sie im Kalten Krieg geworden waren; die WEU gar soll ausgebaut werden. Anstelle der Entmilitarisierung der DDR sind die neuen Bundesländer heute östlicher Standort der Bundeswehr. Nun fehlen handlungsfähige Sicherheitssysteme im Osten und Süden Europas. Wir haben Krieg und Hunderttausende Tote, Millionen Flüchtlinge, unzählige vergewaltigte Frauen, verwaiste Kinder. Die großen Chancen eines Übergangs zu ökologischer Entwicklung wurden in Rio und danach den Hochtechnologieschlachten auf dem Weltmarkt geopfert, die nur eines zum Ziel haben: die jetzige Art von wirtschaftlicher Macht und Weltwirtschaftsstrukturen zu bewahren. Die ökologische Katastrophe rückt immer näher. Und Milliarden Menschen leben schon heute in einer durch Hungertod und Krankheit gezeichneten sozialen Dauerkatastrophe. Nur im Wettbewerb um einen höchstmöglichen Beitrag zur lebensserhaltenden Ent-

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