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John D. Rockefeller stand Pate

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Zwar ist Nigeria damit weiter das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Aber seine Einwohnerzahl wächst laut Census bei weitem langsamer als Experten bis dato annahmen: um 2,2 Prozent statt um 3,3 , Prozent. J ähr} jLch.. .D pch „auch,, da. sind Zweifel; angßbra'clit,:, idennidie-höchstunferscniedlichen Wachstumsraten in verschiedenen nigerianischen Bundesstaaten - in einem haben sich die Einwohner seit 1963 verdoppelt, in einem anderen sind es nur fünf Prozent mehr - machen mißtrauisch. Als eine der Gründe dafür vermutet das Magazin, daß die Zähler in etlichen Haushalten im Norden, wo die Statistik die höchsten Angaben hat, nicht in die Quartiere der Frauen hineingelassen wurden. „So konnten die männlichen Haushaltsvorstände die Größe ihrer Familie künstlich aufblasen.“

Doch statistikverliebte Politiker und Journalisten

schreiben weiterhin kritiklos von Weltbank und internationalen Bevölkerungsinstituten Zahlen über „explodierende Wachstumsraten“ in den Ländern des Südens ab. Genaueres Hinschauen ist unbeliebt. Eher werden gängige Klischees vom heftigen Geschlechtstrieb in einer von Menschen überbordenden Dritten Welt bedient, die sich deshalb in zunehmenden Flüchtlings „strömen“ in die Industrieländer ergießt.

Das Thema „Bevölkerungswachstum“ ist derzeit in den Medien präsenter als gewöhnlich. Grund dafür ist die 3. Weltbevölkerungskonferenz der UNO, die im September in Kairo stattfindet. Kairo steht unter dem Motto „Bevölkerung und Entwicklung“ Zentral wird dort das Thema Flucht und Migration sein. Weitere Schwerpunkte: Bevölkerung und Wirtschaftsentwicklung, Umweltzerstörung, Frauenförderung, Familienplanung i untd-'dje >Auswir->-.kungen vpn-i Geschlechts-' ; krankheiten und Aids. 'Vor-' läuferkonferenzen gab es bereits 1974 in Bukarest und 1984 in Mexiko.

Aber die Idee von einer „Bevölkerungsexplosion“, die ausgehend von den Ländern des Südens den gesamten Globus bedroht, ist ein Kind der 50er Jahre. Als sich nach dem Ende des zweiten Weltkrieges in Afrika, Asien und Lateinamerika nationale Befreiungsbewegungen bildeten, die nach Unabhängigkeit von den Kolonialmächten verlangten, wuchs im Westen die Angst vor dem Verlust von Rohstoffen und Märkten. Besonders von der zunehmenden Zahl junger Menschen, die eher be-

reit sind, überkommene Verhältnisse zu verändern, sah man eine „Gefahr für den Weltfrieden“ ausgehen, wie damals noch offen zugegeben wurde. 1952 rief deshalb John D Rockefeller III. Vertreter US-amerikanischer Banken, der Industrie und einige Wissenschaftler in New York zusammen. Der von ihnen gegründete Population Council

sollte die Idee der Bevölkerungskontrolle unter Politikern und in der Öffentlichkeit populär machen. Ebenso sollten mit seiner Hilfe effektive Mittel und Methoden zur Verhütung entwickelt werden.

Aus jener Zeit auch stammen Begriffe wie „Bevölkerungsexplosion“ und „B-Bombe“, analog zur damals

tatsächlich drohenden Gefahr durch die Atombombe. Es wurde massiv Gelder in die Erforschung von Verhütungsmitteln gesteckt und sogenannte „Familienplanungsprogramme“ für deren Einsatz in den Ländern des Südens geplant. So sind die Entwicklung der Pille und nachfolgender „moderner“ und für Frauen gesundheitlich bedenklicher bis schädlicher Verhütungsmittel, wie der Spirale, der Spritze, dem Implantat und der Immunisierung auch auf die Initiative dieser neuen Bevölkerungskontrollbewegung zurückzuführen, die sich seit den 60er Jahren verschiedene Organe der UNO erschloß.

Seit diesen Anfangsjahren des Kalten Krieges liefern bedrohliche Hochrechnungen von anwachsenden Menschenmassen auf der Südseite des „Raumschiffes Erde“ und von Schrumpfungsprozessen in den nördlichen Industrielän-- dem' -ständig; neue Nahrung ,für ..Katastrophenszenarien. ,,

Was allerdings seither hin und wieder wechselte, waren die Argumentationsmuster. Diente die Ideologie der Familienplanung zu Anfang der Aufstandsbekämpfung, sollten ab den späten 60er Jahren per Bevölkerungskontrolle die Armut und der Hunger bekämpft werden: In den 70er und 80er Jahren- - die UNO rief das Jahrzehnt der Frauen aus - hieß es, Gesundheit, Bildung und Emanzipation kämen per Familienplanung voran. Und seit wenigen Jahren heißt die Schein-Alternative „Bevölkerung oder Umwelt“ Sämtliche Argumente dieser vier Jahrzehnte werden heute miteinander verknüpft in der

Diskussion um Bevölkerungswachstum, Flucht und Migration.

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