nd-aktuell.de / 24.01.2004 / Reise

Der Wüstentrip in ein Beduinendorf

Bei 32 Grad durch die Ostarabische Wüste, wo die Bewohner ihren eigenen Gesetzen folgen

Dr. Roland Winkler
Von Hurghada aus, das sich in den letzten 25 Jahren aus einem kleinen Fischereihafen zur führenden Hotelstadt am Roten Meer gemausert hat, gibt es viele Exkursionsmöglichkeiten, darunter nach Kairo oder nach Sharm El-Sheikh auf dem Sinai. Der Reiz des Fremden und Besonderen liegt aber bereits vor der Haustür - die Ostarabische Wüste mit ihren Wüstensöhnen, den Beduinen. Auf dem Weg dorthin wird dem Touristen schnell klar, warum er in einem geländegängigen Jeep sitzt, geht es nach Verlassen der Asphaltstraße doch nur noch über holprige Sandpisten. Allgemeines Aufatmen, wenn Reiseleiter Mahmod nach rasanter Schaukelfahrt bei einer Temperatur von 32 Grad den ersten Stopp ankündigt. Gewaltig der Anblick, der sich von einem Hügel aus dem Auge bietet, nicht nur endloser Sand, sondern eine imposante Bergwelt. Immerhin ragt der höchste Berg, der Scheib, 2187 Meter hoch in den Himmel. Kurze Zeit später ist die Gruppe am Ziel. Obwohl das Beduinendorf etwa 150 Seelen zählt, sind nur wenige Bewohner zu sehen. Die meisten Männer gehen ihrem Job als Steinbrucharbeiter oder Händler nach, während die Frauen Hand- und Hausarbeiten verrichten. Einer 15- und einer 35-Jährigen können die Touristen beim Backen von Fladenbrot über die Schultern schauen. Beide sind in Schwarz gehüllt, das auch Mundpartie und Kopf bedeckt. Nur die Jüngere trägt zum Zeichen ihres Standes als Ledige dazu einen bunten Rock. Bevor sich die Reisegruppe im Kamelreiten versucht, bittet Mahmod zu einer Informationsrunde in eine der aus Rohrstangen gebauten Wohnstätten. Nach Beduinenart sitzen alle im Kreis am Boden bei einer Tasse Tee. Nach Einrichtungsgegenständen sucht der Blick vergebens. Was sollen sich die Wüstenbewohner auch mit vielerlei Hausrat belasten, ist doch ihres Bleibens an einem Ort nur von relativ kurzer Dauer. Bestimmt wird sie von der Ergiebigkeit der Wasserstelle. Das sind etwa drei Jahre. »Ist die Quelle erschöpft, zieht das ganze Dorf weiter, wobei beim Aufspüren eines neuen Wasserlochs auch die Kamele, der größte Reichtum der Beduinen, mit ihrer feinen Witterung behilflich sind«, informiert der ägyptische Guide. Neun Monate habe es gedauert, bis der 18 Meter tiefe Brunnen mit einem Durchmesser von neun Metern am jetzigen Siedlungsort fertig war. Für den Bau wurden nur Hacke, Schaufel und menschliche Arbeitskraft - selbst die der Kinder - eingesetzt. Das Leben in der Wüste ist ausgerichtet auf das Überlebensnotwendige, wozu neben Wasser Lebensmittel vom Markt in Qena, Kräuter für die Gesundheit aus der Hand eines Medizinmannes im Krankheitsfall und ein Kamel als Transportmittel gehören. Strom gibt es nicht und damit ebenso wenig die Annehmlichkeiten urbaner Zivilisation. Die Wüstenbewohner folgen auch ihren eigenen Gesetzen. So werden Verträge zwischen den Gemeindemitgliedern, an deren Spitze ein Scheich als Bürgermeister steht, nur mündlich geschlossen - auch die Ehe. Wird jemand wortbrüchig oder auf andere Weise schuldig, muss er mit einer Strafe rechnen, im Wiederholungsfall mit dem Ausschluss aus der Gemeinschaft. Die Beduinen zahlen keine Steuern und sind bis zu 85 Prozent amtlich nicht registriert. Ihre Sprache ist ein arabischer Dialekt, ihre Religion der Islam. Der Koran dient auch als Grundlage für den Unterricht der Kinder in Lesen und Schreiben. Ihr Lehrer ist der Scheich. So wie die Bewohner des besuchten Dorfes leben die insgesamt 1,5 Millionen Beduinen Ägyptens, die meisten auf dem Sinai. Nach dem halbtägigen Wüstentrip wieder in Hurghada zurück, lädt das Rote Meer, das wärmste Meerwasser der Welt, zum Baden. Fantasie anregend dabei der Gedanke, dass vor langer Zeit die endlosen Flächen der Wüste mal Meeresboden gewesen sind. Im Beduinendorf hielt Mahmod dafür den Beweis in der Hand: Korallen - gefunden im Wüstensand...