Von KLA US ZOLLNER
Wenn sich SPD-Chef und Kanzlerkandidat Rudolf Scharping, 46, mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Wolfgang im heimischen Lahnstein zum Familienplausch zusammensetzt, dann ist ein Thema tabu: die Politik. Dies könnte sich rasch ändern, denn bei der STATT-Partei sähe man es gerne, wenn Wolfgang Scharping bei den diesjährigen Bundestagswahlen kandidiert. Aber der 44jährige Versicherungskaufmann aus dem rheinischen Kerpen zögert noch, er glaubt, daß alleine der derzeit „medienwirksame Familienname nicht als Qualifikation ausreicht“ Und schließlich fügt er witzelnd hinzu: „Ein abschreckendes Beispiel in der Familie reicht.“ Denn Wolfgang Scharping hält den Job des Berufspolitikers für „absolut familienfeindlich“
Daß der Vater von vier Kindern, anders als sein Bruder Rudolf, von der Politik nicht von frühesten Jugendjahren angezogen wurde, zeigt seine Vita: Erst 1979 zieht Wolfgang Scharping als SPD-Mann in den Kerpener Stadtrat ein, mehr oder weniger auf Druck seiner Ehefrau, die einfach die Nase vom ewigen Lamento über die Kommunalpolitik im heimischen Wohnzimmer voll hatte und ihn vor die Alternative stellte: entweder Schluß mit der ständigen Diskutiererei oder 'ab in die aktive Politik! Anders als bei Rudolf Scharping, der von Anfang an eine klar ausgerichtete Parteilinie erkennen ließ, war der Weg von Wolfgang Scharping etwas kurvenreicher. Von 1979 bis 1984 für die Sozis im Kerpener Stadtrat bekommt er drei Monate vor der Kommunalwahl '84 Streit mit den Genossen, verläßt die Partei und wird Grüner. Als solcher zieht er
drei Monate später wieder ins Stadtparlament. Aber auch mit der Öko-Partei überwirft sich Wolfgang Scharping, ohne jedoch auf den Sitz im Stadtrat zu verzichten. Er wird aktiv für die Bürgerliste in Kerpen, fühlt sich als „Querdenker“ bei den Grauen wohl. Und zuguterletzt: Im Zuge der Parteienverdrossenheit ziehen ihn der Hamburger Wolfgang Wegener und seine STATT-Partei an, Wolfgang Scharping wird Mitglied.
Aktiv ist der 44jährige in der STATT-Partei im Landesverband Nordrhein-Westfalen. Daß er kürzlich bei der Bundesversammlung der STATT-Partei in Kassel die Wahl zum Bundesvorsitzenden verlor, kränkt ihn nicht. Schließlich war die Niederlage vorhersehbar, denn Nordrhein-Westfalen „sei ohne Landesverband und Delegierte nach Kassel gereist“ Das Trostpflaster klebt er sich selbst auf die Wunde: „Mit uns ist dennoch zu rechnen, denn künftig stellen wir den größten Landesverband.“
Und was hält Wolfgang Scharping von des Bruders Politik - schließlich stehen die Chancen derzeit nicht allzu schlecht, daß Rudolf im Herbst dieses Jahres auf dem Chefsessel im Bonner Kanzleramt Platz nimmt? Allenfalls der Familienpolitik stimme er zu. Ansonsten geht Wolfgang Scharping auf Distanz. Aber eines ärgert ihn maßlos, und er kommt in Fahrt, wenn es um den Berlin-Umzug geht. Das „kann kein Mensch bezahlen“ Und wo ordnet sich Wolfgang Scharping ein? „Links von der Mitte“
Ach ja, eine Gemeinsamkeit mit Bruder Rudolf hätte Wolfgang Scharping fast vergessen: die Kritik an der „Politik ohne Bart (CDU-Slogan). Schließlich tragen beide Scharpings Vollbart.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/479707.zwei-brueder-machen-politik.html