richters (also der ersten Instanz) zu überprüfen, so daß eine objektiv fehlerhafte Bewertung der Ergebnisse der Beweisaufnahme in der ersten Instanz grundsätzlich bestehen bleibt - wenn nicht ein Rechtsfehler vorliegt. Das bundesdeutsche Revisionsrecht nimmt somit ausdrücklich hin, daß nicht die Wahrheit festgestellt, daß ein Unschuldiger verurteilt wurde.
Nun ist die justizielle Beweisführung schon allein dadurch kompliziert, daß das Gericht sich einen Vorgang erschließen soll, der in der Vergangenheit liegt (u.U. in einer schon sehr lange zurückliegenden Vergangenheit) und den das Gericht ja nicht selbst wahrgenommen oder erlebt hat.
Das Gericht muß diesen in der Vergangenheit liegenden Vorgang (der nun die Schuld oder Unschuld des Angeklagten ausmachen soll) aus anderen noch gegenwärtigen - Tatsachen rekonstruieren. Dazu gehören sowohl objektive Beweis(mittel), wie z.B. Spuren, und subjektive Beweismittel), insbesondere Zeugenaussagen.
Ein Sachverständiger, der ja den maßgeblichen Vorgang auch nicht selbst wahrgenommen hat, vermag aus seiner Sachkenntnis, aus seiner Wissenschaft, zu beurteilen, ob und wie es sich im Einzelnen (wahrscheinlich) zugetragen hat, ob bestimmte Abläufe höchst unwahrscheinlich oder ausgeschlossen erscheinen.
Begrenzter Aussagewert
Objektive Beweismittel werden vielfach als besonders gut und beweiskräftig angesehen. Indessen wird manchmal verkannt, daß auch ihr Beweis- und Aussagewert begrenzt ist. So beweist ein Schuh(sohlen)abdruck allenfalls, daß ein bestimmter Schuh (mit den individuellen Merkmalen seiner Schuhsohle) an einer bestimmten Stelle war; er beweist noch nicht ohne weiteres, wie der Schuh dorthin gelangt ist und schon gar nicht, daß der Träger des Schuhs der Täter ist. Ebenso beweisen Fingerspuren nur, daß der betreffende Gegenstand (z.B. eine Waffe) mit dem
Finger in Berührung gekommen ist - mehr nicht!
Auch Urkunden oder Schriftstücke beweisen zunächst nur, daß jemand diesen Text niedergeschrieben hat; über den Wahrheitsgehalt des Inhalts dieser Texte ist damit noch nichts erwiesen.
Ebenso haben die subjektiven Beweismittel, insbesondere die Zeugenaussagen, ihre Probleme, auch wenn sie mitunter sehr plausibel und aufschlußreich zu sein scheinen. Die Zeugenaussagen sind nicht nur mit dem Problem der Glaubwürdigkeit des Zeugen belastet, sondern auch mit der Wahrnehmungsfähigkeit der Zeugen.
Der Knallzeuge
So haben bei Verkehrsunfällen in aller Regel die betreffenden Zeugen den Vorgang selbst nicht vollständig wahrgenommen - schon weil im allgemeinen niemand den Verkehr ständig daraufhin angespannt beobachtet, ob da nicht ein Unfall passieren wird. Meistens hat der Zeuge zuerst einen Krach, einen Bums oder einen Knall gehört
(sog. Knallzeuge) und erst danach dorthin gesehen. Nicht selten teilt dann der Zeuge dem Gericht nicht seine eigene ursprüngliche Wahrnehmung mit, sondern bereits eine aus der Situation getroffene Schlußfolgerung. Das ist aber nicht Sache des Zeugen.
Was wirklich geschah
Es muß also stets deutlich zwischen der eigenen Wahrnehmung des Zeugen und der bewertenden Beurteilung des von ihm wahrgenommenen Vorgangs unterschieden werden. Erklärt z.B. ein Zeuge (ein Polizeibeamter), er habe gesehen, wie der Angeklagte (illegal) Handel getrieben habe, so hat das Gericht ihn zu befragen, was er mit seinen Augen selbst tatsächlich gesehen hat, etwa wie der Angeklagte welche Waren wie fei|geboten hat (in der Hand, in welcher, auf einer Kiste oder einem anderen Gegenstand, auf welchem, oder wie sonst), welchen Kunden diese Waren übergeben wurden, ob sie diese wie bezahlt haben, woraus der Angeklagte weitere Waren herausgeholt hat usw.)
Dieses Beispiel verweist zugleich auf eine andere sehr praktische Frage: Welche Zeugen gelten vor Gericht als besonders glaubwürdig? Dazu im nächsten Ratgeber.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/488321.richter-und-zeugen-sind-subjektiv.html