nd-aktuell.de / 19.07.1994 / Wirtschaft und Umwelt

Ozon bleicht nicht nur die Wäsche, sondern auch das Blut

Hohe Ozonwerte gefährden besonders Kinder, Alte und Kranke / Die Lungenfunktionen sind am stärksten betroffen

Unseren Großmüttern galt der Ozongeruch über der auf der Wiese bleichenden Bettwäsche noch als Zeichen einer sauberen Umwelt. Heute signalisieren hohe Ozonwerte im Wetterbericht eine Gefahr für die Gesundheit. Um die Jahrhundertwende wurden noch 20 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft am Boden gemessen. Heute sind es in Ballungsgebieten bis zu 200, und Spitzenwerte liegen bei über 500. Von Jahr zu Jahr steigen die Werte an, vor allem dank des zunehmenden Autoverkehrs und der Industrie. Von dort kommen die Vorläufersubstanzen, die Stickoxide und Kohlenwasserstoffe, aus denen unter intensiver Sonneneinstrahlung Ozon gebildet wird.

Die Empfindlichkeit der Menschen gegenüber Ozon ist sehr unterschiedlich. Etwa zehn Prozent der Bevölkerung sind ozonsensibel und reagieren bis zu sechsmal stärker als andere. Besonders betroffen sind Kinder, Alte, Schwangere, Kranke, vor allem Personen mit Asthma sowie Herz- und Kreislauferkrankungen. Schon ab 70 Mikrogramm kann es zur Reizung der Augenbindehaut kommen, ab 100 Mikrogramm zu Kopfschmerzen, Müdigkeit, verringerter Leistungsfähigkeit.

Ab 160 Mikrogramm pro Kubikmeter fällt das Atmen schwer, besonders bei körperlicher Belastung, und bei 200 erhöht sich die Zahl der weißen Blutkörperchen, das Immunsystem wird aktiviert. Ab 240 häufen sich Asthmaanfälle, ab 400 kommt es zu Brustschmerzen und Veränderungen von Ezymen und Hormonen. Ozon wirkt besonders auf die Lunge, dringt - da es nicht wasserlöslich ist - in tiefe Lungenabschnitte vor Bei anstrengender Arbeit und beim Sport werden besonders sensible Regionen der Lunge angegriffen. Es kann zu Entzündungen kommen, die die Infektionsresistenz beeinträchtigen.

Bodennahes Ozon entsteht vor allem in den Ballungsgebieten. Die Konzentration beginnt in den Morgenstunden und steigt bis in frühen Nachmittag an. Nach Abnehmen der Sonnenstrahlung sinken die Werte wieder. In der Nacht wird es wieder abgebaut und zwar durch Reaktionen mit anderen Luftschadstoffe. Sommersmog bleibt aber nicht auf die Ballungsgebiete beschränkt, da sich Stickoxide und Kohlenwasserstoffe über weite Entfernungen ausbreiten. So bleiben ländliche Gebiete nicht verschont.

Diese haben sogar einen Nachteil, da hier die Luftschadstoffe fehlen, die Ozon nachts abbauen. Die Ozonkonzentration tritt hier später auf und kann sich länger halten. Dennoch ist man insgesamt auf dem Lande besser dran, da viele Schadstoffe, die die Stadt be-

lasten, in nicht so starker Konzentration auftreten.

Viele Betroffene nehmen die Gefahr hoher Ozonwerte nicht wahr. Kopfschmerzmittel oder Augentropfen sind schnell zur Hand. Außerdem gewöhnt sich der Körper nach mehreren Ta-

gen an den Sommersmog. Eine Täuschung, denn die entzündlichen Prozesse in den Atemwegen gehen unbemerkt weiter Besondere Aufmerksamkeit sollte Kindern gelten. Bekanntlich werden die Bürger in der Bundesrepublik bei 180 Mikrogramm pro Kubikmeter

informiert und bei einem Wert von 360 gewarnt. Diese Werte sind jedoch für Erwachsene berechnet. Kinder atmen schneller, sind mehr in Bewegung, gewöhnen sich auch nicht wie die Erwachsenen nach mehreren Tagen an die Ozonbelastung. Ihr Bronchialsystem reagiert stärker, ihre Lunge ist noch in Entwicklung und hat noch eine lange Einwirkzeit von Ozon vor sich.

Wie kann man sich schützen? Wichtig ist, daß in Innenräumen geringere Ozonkonzentrationen herrschen als im Freien, denn an Wänden, Gardinen und Möbeln reduziert sich Ozon. Auch ein schräg gestelltes Fenster trägt dazu bei. Es empfiehlt sich bei hohen Ozonwerten, sich möglichst nicht im Freien aufzuhalten und wenn es sich nicht vermeiden läßt, in jedem Fall körperliche Anstrengungen zu vermeiden oder diese in die frühen Morgenstunden oder in den späten Abend zu verlegen. Für einen Aufenthalt im Wald spricht, daß Bäume durch Oberflächenreaktion Ozon reduzieren. Darüber hinaus gilt: Wer sich gesund ernährt, stärkt damit sein Abwehrsystem und wird den Smog leichter verkraften als andere.