nd-aktuell.de / 17.08.1994 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 8

Erpressung int Spiel

Die in Zahlungsschwierigkeiten befindliche Märkische Faser AG (MFAG) wird wahrscheinlich nicht in Konkurs gehen. Dieses Ergebnis der Aufsichtsratssitzung am Montag hat eine weitere Hängepartie für Betrieb und Region zur Konsequenz.

Für eine erste Lösung der Zahlungsprobleme hat das Land Brandenburg Ansprüche auf etwa 1,9 Millionen DM anerkannt. Von einem vorfinanzierten Auftrag ist beim Alleinaktionär, der Alcor Chemie AG, die Rede. Bei der Lohnzahlung hat die Belegschaft mit sich handeln lassen. Die IG Chemie ist mitgegangen. Das Management sieht sich in seiner Linie der Minderung laufender Verluste von monatlich 5 Millionen DM auf eine Million bestätigt. Und schließlich wird auf den Verkauf der MFAG an Ros-Textil verwiesen. Die Durststrecke soll auf vier Wochen absehbar sein.

In den nächsten vier Wochen stehen die bislang nicht gezahlten Juli-Löhne und die fallig werdenden August-Löhne in der Gesamtsumme von 6,6 Millionen DM an, der auf 1 Million reduzierte monatliche Verlust wäre zuzurechnen. Wird das in Aussicht gestellte Geld reichen?

Auf den baldigen Verkauf kann wenig gebaut werden. Zwar liegen Willenserklärung und Einigung auf eine Kaufsumme vor, aber Ros-Textil rechnet dabei mit Versprechungen aus Moskau und Potsdam.

Der Markt bietet Aussichten, die aber so noch nicht realisiert sind. Das Gemengelage wird demnach komplizierter. Alle fühlen sich betrogen: Die Alcor Chemie um ihre Investitionsaussichten, die Belegschaft um ihre Arbeitsplätze, die Zulieferer um ihre Forderungen und die Landesregierung um ihre Unterstützungsleistungen. Fast alle - Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte ausgenommen.

Der Hintergrund für dieses Dickicht ist die grassierende Manier der Investoren, sich bei dieser Konjunkturlage an den Staat zu halten. Alcor will vor dem Verkauf an Ros-Textil möglichst viel aus dem Land Brandenburg rausholen, und die Ros-Textil hat ihre Kalkulation nicht weniger darauf aufgebaut. Der Kaufpreis schließt die Subventionen ein, er hat die Vertragspartner verbrüdert. Die maximale Subventionsausschöpfung macht eine geschickte Terminierung notwendig, die den Druck von Betrieb und Region in der Wahlkampfzeit ausschöpft. Ein perfides Spiel! Das Land Brandenburg wiederum hat die Gratwanderung vor sich, entweder einen Konkurs zuzulassen oder erpresst zu werden.

Die Durststrecke für die gebeutelte Belegschaft der Märkischen Faser macht zweierlei deutlich: die labile Konjunkturlage und die Auswüchse in der Alimentierung von Investoren.

FRITZ FIEHLER