nd-aktuell.de / 13.03.2004 / Wirtschaft und Umwelt

Betreten der Gleise nicht strafbar

Castor-Gegner erstreiten Erfolg vor Oberlandesgericht Celle

Reimar Paul
Wer Bahn-Schienen betritt oder besetzt, macht sich nicht strafbar, sondern begeht nur eine Ordnungswidrigkeit. Dies hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Celle entschieden (22 Ss 189/03). Die Richter hoben damit ein Urteil des Landgerichts Lüneburg auf. Dieses hatte das Betreten von Gleisen zu demonstrativen Zwecken als eine Straftat (Störung öffentlicher Betriebe) bewertet.
Die Vorgeschichte: Mit anderen Demonstranten hatte sich ein 44-jähriger Atomgegner am Morgen des 15. Mai 2001 im Bereich des Lüneburger Bahnhofs auf den Gleisen aufgehalten. Vom nahen Rangierbahnhof Maschen war damals ein Konvoi mit Castoren aus norddeutschen Atomkraftwerken zur französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague gestartet. AKW-Gegner aus Lüneburg und dem Wendland demonstrierten an verschiedenen Orten gegen die Fuhre. »Wir wollten auch dem Vorwurf begegnen, nur zu protestieren, wenn es um Gorleben geht«, erinnert sich Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Wegen der Demonstrationen stoppte der Castorzug. Der Zugverkehr zwischen Hamburg und Hannover blieb für eine dreiviertel Stunde unterbrochen. 30 Züge waren betroffen, ein ICE musste umgeleitet werden. Die Demonstranten am Lüneburger Bahnhof wurden von BGS-Beamten weggetragen oder abgedrängt. Das OLG sah in der Aktion eine Ordnungswidrigkeit, bei der die Deutsche Bahn AG und deren Fahrgäste beeinträchtigt und behindert worden seien. Es brummte dem Angeklagten ein Bußgeld von 500 Euro auf. Den strafrechtlich relevanten Vorwurf »Störung öffentlicher Betriebe« verwarfen die Richter des OLG Celle jedoch. »Am Tattag kam es nicht deshalb zum Ruhen des Fahrverkehrs, weil der Angeklagte und seine Mitdemonstranten dies durch direkte Einwirkung auf die Gleisanlagen oder die Züge der Deutschen Bahn AG verursachten«, heißt es verquast in dem gestern von der Gorlebener BI bekannt gemachten Urteilstext. Die Atomgegner hätten vielmehr psychologisch auf die Fahrdienstleiter und Zugführer eingewirkt, die Gleise seien nicht beschädigt oder unbrauchbar gemacht worden. Am Mittwoch dieser Woche war noch ein anderes Urteil im Zusammenhang mit Anti-Atom-Aktionen ergangen. Das Amtsgericht im westfälischen Gronau lehnte die Klage des Atomkonsortiums Urenco gegen einen Atomgegner ab. Am Antikriegstag 2002 hatten rund 200 Atomkraftgegner vor der Urananreicherungsanlage in Gronau demonstriert. Die Anlage versorgt AKW mit Brennstoff. Urenco, Betreiberfirma der Anlage, klagte gegen den Versammlungsleiter, da nach der Kundgebung weitab vom Demonstrationsgeschehen angeblich Löcher im Zaun um die Fabrik entdeckt wurden. Der Beschuldigte weigerte sich, die Zaunreparaturen zu bezahlen - zu Recht, wie jetzt das Amtsgericht bestätigte. Die Kosten des Verfahrens muss Urenco tragen.