Vierter Weg bei der Steuerreform

Kieler Modell will kostenneutral soziale Schieflagen ausgleichen

Mit neuen Steuer-Ideen hat sich die Kieler Landesregierung zu Wort gemeldet. Ihr Erbschaftsteuer-Konzept wird schon am Wochenende auf dem SPD-Sonderparteitag diskutiert werden.

Kennen Sie Ralf Stegner? Den Namen des Kieler SPD-Finanzministers sollte man sich merken. Aus seiner Feder stammt das von Landesmutter Heide Simonis präsentierte neue Konzept, das Bewegung in die festgefahrene Steuerdebatte gebracht hat. Zuletzt dominierten hier das kategorische »Nichts geht mehr« von Bundesfinanzminister Hans Eichel, Steuersenkungskonzepte von Union und FDP für Unternehmen und Besserverdienende sowie der kaum mehr ernst genommene Ruf von Links nach einer Vermögensteuer. Die Kieler zeigen nun einen vierten Weg auf: Soziale Schieflagen sollen ausgeglichen werden, ohne weitere Geschenke unters Steuervolk zu werfen. Die Präsentation des Modelles kam zur günstigen Zeit. In der Steuerpolitik - dem letzten Bereich, mit dem die SPD zeitweilig noch punkten konnte - hat die Opposition in den letzten Monaten das Heft des Handelns an sich gerissen. Jetzt melden sich Sozialdemokraten mit auch noch frischen Ideen zurück. Vor allem aber bieten die Schleswig-Holsteiner der immer lauter aufmuckenden SPD-Linken einige Zuckerl - Absenkung des Eingangsteuersatzes, Zulage für Mega-Verdiener sowie gestopfte Schlupflöcher für Unternehmen. Applaus finden dürfte auch der Affront gegen Hans Eichel: Die weitere Absenkung des Spitzensteuersatzes, die die ab 2005 geltende letzte Stufe der rot-grünen Steuerreform vorsieht, wird ad acta gelegt. Angesichts von Parteiaustritten, Abspaltungsplänen und Umfragetiefs kann der SPD-Bundesvorstand das Konzept aus dem hohen Norden nicht ignorieren. Schon an diesem Sonntag auf dem Berliner Sonderparteitag wird es zwangsläufig zur Debatte stehen - laut dem Leitantrag des SPD-Vorstandes soll dort die Forderung nach Erhöhung der Erbschaftsteuer bekräftigt werden. Der Kieler 10-Punkte-Plan beinhaltet gleich den entsprechenden Gesetzentwurf, der demnächst in den Bundesrat eingebracht werden soll. Gleichwohl machen sich Stegner und Simonis nicht zum Sprachrohr der Parteilinken. Die Forderung nach Wiedereinführung der Vermögensteuer hat man in Kiel mittlerweile ohne Angabe von Gründen fallen gelassen. Zudem stößt die gewünschte Mehrwertsteuererhöhung, die den Normalverbraucher träfe, bei den Genossen auf wenig Gegenliebe - auch der Parteivorstand will eine Debatte um unpopuläre Steuererhöhungen unbedingt vermeiden. Da dürfte es auch nicht helfen, dass Simonis und Stegner mit den Mehreinnahmen nicht Haushaltslöcher stopfen, sondern die Steuerfinanzierung der Sozialversicherung ausbauen möchten. Dies würde Arbeitnehmer und Betriebe entlasten, was einen - allerdings zweifelhaften - Anreiz für neue Jobs bieten soll. Insgesamt würde das Kieler Modell zu einer höheren Besteuerung von Großunternehmen und Gutverdienenden führen - im Gegensatz zu den Modellen von Union und FDP sowie der rot-grünen Steuerreform. Besser gestellt würden dagegen der Mittelstand, Bezieher niedriger Einkommen, kinderreiche Familien sowie die Kommunen. Während die einst vollmundig gepriesene Gemeindefinanzreform von Rot-Grün dürftig ausgefallen ist, hat der Kieler Vorschlag einer neuen Kommunalsteuer den Vorteil, dass er den Gemeinden eine eigenständige Finanzierung und vor allem stetiger fließende Einnahmen ermöglichen würde. Gleichzeitig würde er zu Lasten des Bundes gehen. So überrascht es kaum, dass das dickste Lob für die Kieler nicht aus der Bundespolitik kam, sondern von der Finanzministerin Mecklenburg-Vorpommerns: Für Sigrid Keler (SPD) ist es »das erste ernst zu nehmende Konzept und eine Bereicherung der Reformdebatte, die zuletzt in einen Steuersenkungs-Wettlauf...

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