Alte Kamellen in Sachen Sicherheit

Fredrik Roggan: Gesetze für Polizeistaat existieren schon, sie werden nur noch nicht ausgeschöpft

Der Strafverteidiger und Fachautor in Berlin ist Vorstandsmitglied der Humanistischen Union und der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen.

ND: Nach den Anschlägen von Madrid wird von allen Seiten wieder lautstark über Gesetzesverschärfungen nachgedacht. Was haben wir da zu erwarten?
Roggan: Wieder einmal ist die große Stunde der Sicherheitspolitiker angebrochen, die die Chance nutzen wollen, um alles durchzusetzen, was sie schon lange fordern. So kommt aus den Reihen der CDU/CSU wieder die Forderung nach einer Ausweisung von Ausländern auf bloßen Verdacht, die schon bei den früheren Debatten über das Zuwanderungsgesetz laut wurde. Auch die Forderung nach Einsätzen der Bundeswehr im Innern ist von der CDU schon häufiger erhoben worden. Die Verhandlungen der nächsten Tage werden zeigen, was sie davon durchsetzen können.

Sie hatten schon im Jahr 2000 im Pahl-Rugenstein-Verlag ein mittlerweile vergriffenes Buch mit dem Titel »Auf legalem Weg in einen Polizeistaat« veröffentlicht. Ist das Ihr knapper Kommentar zur momentanen Lage?
Das ist durchaus eine Beschreibung der Rechtsentwicklung, wie sie sich seit Jahrzehnten darstellt, wenn auch eine zuspitzende. Tatsächlich existieren die gesetzlichen Grundlagen für einen Polizeistaat bereits. Bisher aber werden sie aber noch nicht in vollem Umfang ausgeschöpft. Ereignisse wie die Anschläge am 11.September 2001 in den USA oder auch jetzt in Madrid beschleunigen diesen Prozess, sind aber nicht der Auslöser.

Sie haben die Rechtsentwicklung in Deutschland in längeren Perioden beobachtet. Sind dabei Unterschiede zwischen rot-grün oder der CDU-geführten Regierung feststellbar?
Eigentlich nicht. Vom bürgerrechtlichen Standpunkt war Rot-Grün eine Enttäuschung. Schließlich ist das Terrorismusbekämpfungsgesetz von dieser Regierung verabschiedet worden. Das aber war die gesetzliche Grundlage für Auskunftsbefugnisse von Verfassungsschutzbehörden, für die Möglichkeit, biometrische Merkmale in die Personaldokumente aufzunehmen und für einen Machtzuwachs des Bundeskriminalamtes.

Gibt es Gegenkräfte, die diesen legalen Gang in den Polizeistaat zumindest verlangsamen?
Es gibt tatsächlich immer wieder punktuelle Erfolge für bürgerrechtliche Positionen. Oft werden sie gar nicht bundesweit wahrgenommen. So ist beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern der große Lauschgriff zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung durch ein Urteil des Landesverfassungsgerichts schon seit vier Jahren verboten. Auch in Sachsen gab es einige Urteile in dieser Richtung. Am spektakulärsten war in dieser Hinsicht zweifellos das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Großen Lauschangriff.

Hat das Urteil wirklich eine praktische Bedeutung?
Das Urteil hat gravierende Konsequenzen für die Anwendung der Überwachung. In Zukunft muss die Überwachung gestoppt werden, wenn erkennbar ist, dass die Intimsphäre von Menschen betroffen ist. Das Gericht hat einen unantastbaren Kernbereich des Wohnungsgrundrechts festgestellt. Ohne das Urteil überzubewerten, es hat ein deutliches Signal gesetzt.

Interview: Peter NowakND: Nach den Anschlägen von Madrid wird von allen Seiten wieder lautstark über Gesetzesverschärfungen nachgedacht. Was haben wir da zu erwarten?
Roggan: Wieder einmal ist die große Stunde der Sicherheitspolitiker angebrochen, die die Chance nutzen wollen, um alles durchzusetzen, was sie schon lange fordern. So kommt aus den Reihen der CDU/CSU wieder die Forderung nach einer Ausweisung von Ausländern auf bloßen Verdacht, die schon bei den früheren Debatten über das Zuwanderungsgesetz laut wurde. Auch die Forderung nach Einsätzen der Bundeswehr im Innern ist von der CDU schon häufiger erhoben worden. Die Verhandlungen der nächsten Tage werden zeigen, was sie davon durchsetzen können.

Sie hatten schon im Jahr 2000 im Pahl-Rugenstein-Verlag ein mittlerweile vergriffenes Buch mit dem Titel »Auf legalem Weg in einen Polizeistaat« veröffentlicht. Ist das Ihr knapper Kommentar zur momentanen Lage?
Das ist durchaus eine Beschreibung der Rechtsentwicklung, wie sie sich seit Jahrzehnten darstellt, wenn auch eine zuspitzende. Tatsächlich existieren die gesetzlichen Grundlagen für einen Polizeistaat bereits. Bisher aber werden sie aber noch nicht in vollem Umfang ausgeschöpft. Ereignisse wie die Anschläge am 11.September 2001 in den USA oder auch jetzt in Madrid beschleunigen diesen Prozess, sind aber nicht der Auslöser.

Sie haben die Rechtsentwicklung in Deutschland in längeren Perioden beobachtet. Sind dabei Unterschiede zwischen rot-grün oder der CDU-geführten Regierung feststellbar?
Eigentlich nicht. Vom bürgerrechtlichen Standpunkt war Rot-Grün eine Enttäuschung. Schließlich ist das Terrorismusbekämpfungsgesetz von dieser Regierung verabschiedet worden. Das aber war die gesetzliche Grundlage für Auskunftsbefugnisse von Verfassungsschutzbehörden, für die Möglichkeit, biometrische Merkmale in die Personaldokumente aufzunehmen und für einen Machtzuwachs des Bundeskriminalamtes.

Gibt es Gegenkräfte, die diesen legalen Gang in den Polizeistaat zumindest verlangsamen?
Es gibt tatsächlich immer wieder punktuelle Erfolge für bürgerrechtliche Positionen. Oft werden sie gar nicht bundesweit wahrgenommen. So ist beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern der große Lauschgriff zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung durch ein Urteil des Landesverfassungsgerichts schon seit vier Jahren verboten. Auch in Sachsen gab es einige Urteile in dieser Richtung. Am spektakulärsten war in dieser Hinsicht zweifellos das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Großen Lauschangriff.

Hat das Urteil wirklich eine praktische Bedeutung?
Das Urteil hat gravierende Konsequenzen für die Anwendung der Überwachung. In Zukunft muss die Überwachung gestoppt werden, wenn erkennbar ist, dass die Intimsphäre von Menschen betroffen ist. Das Gericht hat einen unantastbaren Kernbereich des Wohnungsgrundrechts festgestellt. Ohne das Urteil überzubewerten, es hat ein deutliches Signal gesetzt.

Interview: Peter Nowak

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