Und Jerry Cotton wird dann Deutschlands Super-Cop...

Anschläge von Madrid bieten Chancen zum Umbau der Sicherheitsarchitektur

Die Anschläge in Madrid haben hier zu Lande eine Debatte über eine neue Sicherheitsarchitektur in Gang gebracht, die so mancher aus Regierung wie bürgerlicher Opposition schon lange führen wollte.

Wir haben in Deutschland insgesamt 37 Behörden, die sich sehr hingebungsvoll um die Wahrung der inneren Sicherheit bemühen. Diese Behördenvielfalt könne auch zu einem Problem werden, warnt Wolfgang Bosbach, Innenexperte und Fraktionsvize der Union im Bundestag. Da hat er aber nicht mit den »Buchhaltern« unserer Politik gerechnet. Die nämlich kommen auf fast 50 Behörden, die sich aufgrund der föderalen Struktur irgendwie um die innere Sicherheit bemühen. Sechzehn Landesämter für Verfassungsschutz, sechzehn Landeskriminalämter, das Bundesamt für Verfassungsschutz, BND, BKA und Militärischer Abschirmdienst, BGS und verschiedene Landespolizei- sowie Zolldienststellen sind Hauptakteure im Kampf gegen den aufkommenden Terrorismus.

Halb Staatspolizei, halb Geheimdienst-Firma
Dass da - bei aller verbesserten Kooperation und Abstimmung - viel parallel gearbeitet wird, dass es immer wieder Reibungsverluste gibt und auch allerlei Eifersüchteleien, wissen alle Beteiligten. Auch Klaus Jansen, der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Seine Organisation fordert - aufgrund der reichen Erfahrungen im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität - schon seit langem, die kriminalpolizeilichen Kompetenzen des Bundeskriminalamtes, des Bundesgrenzschutzes und die des Zolls zu bündeln und eine »Bundeskriminalpolizei« zu schaffen. Im Bundesinnenministerium wird, so drang es bereits vor den Anschlägen in Madrid aus Schilys Burg in Berlin-Moabit hervor, über eine neue Struktur nach dem Vorbild des amerikanischen FBI nachgedacht.
Was so griffig klingt, hat allerlei Tücken. Denn das FBI ist eine Art Zwittereinrichtung, halb Polizei, halb Geheimdienst. Es hat gute Gründe aus schlechten Zeiten, dass man genau diese behördliche Zwitterstellung in Deutschland bisher vermieden hat. Das Stichwort Gestapo umschreibt die Gefahr. Auch deshalb hält man sich in Schilys Ministerium bedeckt über Zentralisierungspläne. Dass es sie jedoch seit langem gibt, zeigt sich am BKA-Umzugsstreit. In Berlin soll das Bundeskriminalamt zu einer Art verlängertem Arm des Innenministeriums geformt werden.
Gleiches hat Otto Schily auch mit dem bislang in Köln-Corweiler residierenden Bundesamt für Verfassungsschutz vor. Doch dessen Chef Heinz Fromm weigerte sich bislang beharrlich mit dem Hinweis, in der Hauptstadt eine funktionierende Außenstelle zu unterhalten. Dass sich dieses Argument irgendwann erschöpft, beweist der Fall BND. Auch die Auslandsspione sind seit Jahren mit einem starken Stab in Reichweite des Kanzleramtes. Nun jedoch ist der Umzug des gesamten Dienstes eine beschlossene Sache. Derartiges wird dem Verfassungsschutz nicht erspart bleiben. Zumal sich bei der Bundesstelle und den 16 Länderbehörden ein genereller Umbau andeutet.

Verfassungsschutz in vielen Varianten
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, meint: »17 Verfassungsschutzämter, die teilweise aneinander vorbei arbeiten, schaffen nicht mehr Sicherheit.« Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz will die Anzahl der selbstständigen Landesbehörden drastisch reduzieren. Ähnlich der BGS-Struktur reichen ihm neben dem Bundesamt vier nach Himmelsrichtung gegliederte Ämter. Baden-Württembergs Verfassungsschutzpräsident Helmut Rannacher wäre auch für eine Lösung »16 minus X«. Berlins Innensenator Ehrhart Körting(SPD) ist für die Stärkung des Bundesamtes. Um der Terror-Bedrohung angemessen zu begegnen, müssten die Landesämter Kompetenzen abgeben. Radikaler geht der nordrhein-westfälische CDU-Chef Jürgen Rüttgers das Problem an. Angeblich will er in der kommenden Woche die Abschaffung der Landesämter vorschlagen.
Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Gottfried Timm (SPD) indessen mag sich - trotz zu bemängelnder Informationsweitergabe - der Zentralisierungsidee nicht nähern. So wie Timm lehnt auch Fritz Behrens, Innenminister in Nordrhein-Westfalen, Zentralisierungsgedanken ab. Vielleicht ist eine Zusammenlegung der Verfassungsschutzämter kleiner Länder denkbar, NRW jedoch bleibt bei dem, was man hat. Die beiden SPD-Minister stehen damit im Bündnis mit dem bayerischen Innenminister-Kollegen Günther Beckstein von der CSU. Unterschiedlich betrachtet man jedoch die Qualität der Zusammenarbeit der verschiedenen Ämter. Behrens kritisiert, dass die einzelnen Landesämter nicht genügend kommunizieren. Das hätte sich beispielsweise beim blamablen Scheitern des NPD-Verbotsantrages gezeigt. Beckstein dagegen sagt, gerade aus dieser Pleite habe man gelernt und sei durchaus in der Lage, der vom Bundesamt zu bestimmenden Schwerpunktsetzung nachzukommen. Spricht man mit verantwortlichen Leuten von BND, Verfassungsschutz, BKA und Kanzleramt, dann wird zumindest eines deutlich: Der Austausch von Informationen zwischen den Behörden läuft - im Gegensatz zu Zeiten, da man sich streng an das gesetzliche Trennungsverbot von Polizei und geheimen Diensten hielt - wie geschmiert. Auch über die Bundesgrenzen hinweg ist die Zusammenarbeit enger, als sich das die eigentlich zur Kontrolle bestellten Abgeordneten vorstellen.

Verfassung ist nicht endlos biegbar
Was derzeit ausschaut, als sei alles mehr oder weniger eine Frage von effizienter Strukturplanung, ist auch ein verfassungsrechtlich relevantes Problem. Denn bevor man Superbehörden installieren und Jerry Cotton als Deutschlands Super-Cop gegen den Terror antreten lassen kann, müsste man das Grundgesetz »frisieren«. Um die dazu notwendige Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag zusammen zu bekommen, wird noch mancher Kuhhandel getrieben werde...

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