• Politik
  • Gescheitertes NPD-Verbotsurteil

Ein Jahr später: Aufmarsch »Stoppt den Synagogenbau!«

NPD betreibt Volksverhetzung, doch Aufstand der Anständigen bleibt aus

  • Claus Dümde
  • Lesedauer: 3 Min.
Die rechtsextreme NPD tritt ein Jahr nach dem Scheitern des Verbotsprozesses gegen sie aggressiver denn je auf. In Bochum rief sie am vorigen Wochenende zum Aufmarsch unter dem antisemitischen Motto »Stoppt den Synagogenbau - 4 Millionen fürs Volk«.
Diese Aktion gegen den Wiederaufbau der Synagoge, die am 9. November 1938 von Nazis bis auf die Grundmauern niedergebrannt wurde, konnte verhindert werden. Das Verbot durch die Stadt wurde vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster und letztlich auch vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Das Versammlungsmotto, so heißt es in der Begründung des OVG, grenze die in Deutschland lebenden Mitbürger jüdischen Glaubens in böswilliger und verächtlich machender Weise als nicht zum »Volk« gehörend aus der staatlichen Gemeinschaft aus. Es verletze dadurch deren Menschenwürde. Und die Karlsruher Richter sahen geplante Volksverhetzung.
Vollendet war sie massenhaft auch in den Verbotsanträgen gegen die NPD dokumentiert. Dass viele der Volksverhetzer als V-Leute des Verfassungsschutzes vom Staat besoldet wurden, war jedoch in den Augen einer entscheidenden Minderheit von Richtern ein »nicht behebbares Verfahrenshindernis«. Und so leugnet oder verharmlost die NPD ein Jahr nach Abbruch des Verbotsverfahrens weiterhin die Verbrechen der Nazis, hetzt gegen Ausländer und Juden, nicht nur im Ruhrgebiet: In Dresden macht ein von NPD-Bundesvize Holger Apfel angeführtes »Nationales Bündnis« zur Kommunalwahl u.a. dagegen Stimmung, dass der jüdische Architekt Daniel Libeskind dem Auftrag zur Umgestaltung des Militärmuseums erhielt. Und im bayerischen Selben plant die NPD am 3. April eine Großveranstaltung. Angekündigt ist neben Parteichef Udo Vogt der »nationale« Liedermacher Michael Müller, zu dessen Repertoire Hetzsongs wie »Mit sechs Millionen Juden, da fängt der Spaß erst an« gehören. Die Stadtverwaltung hat trotzdem der NPD die Festhalle zur Verfügung gestellt.
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Gesetzentwurf der PDS-Fraktion:

Antifaschistische Klausel ins Grundgesetz
Die PDS-Bundestagsfraktion brachte am 22. Januar 2001 einen Gesetzentwurf ein, der vorsah, Artikel 26, Absatz 1 Grundgesetz durch eine »Antifaschistische Klausel« zu ergänzen:

»Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, oder nationalsozialistisches Gedankengut wieder zu beleben, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.«
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Vielleicht stoppt Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber noch das NPD-Spektakel. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum hat ihn dazu aufgefordert. Dass es solcher Appelle überhaupt bedarf, zeigt, wie es um den vor Jahren beschworenen »Aufstand der Anständigen« steht. Im März 2001 hatten SPD, Grüne, FDP und PDS im Bundestag eine lange Entschließung »Gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt« verabschiedet. Drei Jahre später sind zahlreiche darin aufgelistete Vorhaben, zum Beispiel eine nationale Beobachtungsstelle Rechtsextremismus, noch immer Wunschtraum, anderen, vor allem Projekten antifaschistischer, demokratischer Jugendarbeit, werden immer öfter drastisch die Mittel gekürzt.
Symptomatisch auch der Umgang der etablierten Parteien mit der Initiative der PDS-Bundestagsfraktion, ins Grundgesetz eine »Antifaschistische Klausel« einzufügen (siehe Riegel). Keine andere Fraktion unterstützte den PDS-Gesetzentwurf . Obwohl er unabhängig von Verboten der NPD sowie anderer rechtsextremer Parteien und Organisationen eine solide Grundlage böte, auch strafrechtlich gegen Neonazi-Umtriebe vorzugehen.
»Wir haben eine sich bestärkt fühlende NPD und neonazistische Szene«, konstatiert die PDS-Bundestagsabgeordnete Petra Pau. Sie kennt die Situation recht gut. Monat für Monat erfragt sie von der Bundesregierung die aktuellen Zahlen über rechtsextreme Straftaten. Trotz hoher Dunkelziffern und »Nachmeldungen«, die 2003 bis zu 45 Prozent betrugen, zieht sie auf der monatlichen Statistik das Fazit: »Rechtsextreme Straftaten bleiben seit Jahren auf hohem Niveau, täglich wird mindestens eine Gewalttat ausgewiesen.« Petra Pau sieht im Rechtsextremismus »ein gesellschaftliches Problem« und schlussfolgert: »Er muss weiterhin durch die Gesellschaft geächtet und zurückgedrängt werden.«
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