nd-aktuell.de / 18.03.2004 / Brandenburg

Wir möchten, dass du richtig gut bist

»Umherschweifende Produzentinnen« üben Aufmerksamkeitsökonomie

Almut Schröter
Die Karre ist so tief im Dreck, dass man sich eigentlich nur noch als Ich-Lach-AG draufhocken kann. So weit treibt es die Farce »Umherschweifende Produzentinnen« von Claudia Hamm und Jelka Plate. Die aktuellen gesellschaftlichen Aussagen für die aus dem Hauptstadtkulturfonds geförderte Produktion in den Sophiensaelen sind so fundamental, dass neben den Textspenden aller Beteiligten letztlich auf tief schürfende Gedanken eines stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden einer Handelskette zurückgegriffen werden musste. Was unsere Gesellschaft braucht, ist Dienstleistung. Für diesen Markt sollen sich Arbeitslose, also potenzielle Produzenten, fit machen. Judica Albrecht, Saskia Schwarz,Victor Calero und Lajos Talamonti stehen hinter ihren Info-Ständen, über die sie sich selbst verkaufen wollen. Sie preisen sich an. Wolfgang Capellari umschweift sie mit Musik. Links und rechts der Bühne dekorieren Plakate mit schönen Gesichtern erfolgreicher junger Menschen das Spiel. Wer sich nicht so gut verkaufen kann, soll lernen, wie man effektiv beim Umherschweifen nach Arbeit Aufmerksamkeitsökonomie betreibt. Wir möchten, dass du richtig gut bist, stacheln die Dienstleister an, die einem beibringen wollen, wie man erst einmal in sich einen »warmen Markt bildet« und sein »eigenes Eigenkapital« findet. Verzweifelt steigern die Akteure ihre Motivation, passen sich hier und dort an, verformen ihre Persönlichkeit als Produkt, Ware, Werkzeug. Derweil wird von Marktbeherrschern mit Getöse unverständlich zur Kommunikation aufgefordert. Das bringt den vermeintlichen Produzenten auch nichts. Sie sinken entmutigt um und fragen: Warum werden eigentlich für teures Geld Blindenhunde ausgebildet, wenn es doch uns gibt? Eigentlich sollte das Spiel, dessen Szenen sich wie ein Mosaik fügen, auf Kulturarbeiter zielen. Anderen geht es aber auch nicht besser, wird spätestens klar, wenn der Rundfunkmensch Jürgen Kuttner als kommunizierender Kollege auftaucht und das ganze Theater in krachende gesellschaftliche Zusammenhänge bringt. Jede Zeit schafft sich ihre Lieder, weiß er. Einen utopischen Text von Heiner Müller habe er als Beispiele zu bieten und einen idiotischen vom stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Kaufland AG - den Kaufland-Song. Was Müller wem zu sagen hatte, ist schnell erklärt. Also konzentriert sich Kuttner auf den neuen Song. Den, sagt er, zelebrieren die Kaufländer für den täglichen Motivationsschub, bevor sie Dienstleistungsempfänger einlassen. An einem Tag wie heute, ist das Leben schön, singen sie. Ich bin gut drauf, wenn man mich mag, ein bisschen Spaß muss sein, sonst kommt hier keiner rein... So oder ähnlich geht es in dem zeitgenössischen Musikwerk zu. Was will Kuttner eigentlich? Ist doch alles richtig. Darum trällern schließlich die in den Sophiensälen umherschweifenden Produzenten den Song der Zeit. Vor allem eine Zeile fasziniert: Ein Lächeln ist mehr wert. Oder hieß es - dein Lächeln ist Mehrwert? 18.-21.3., 20 Uhr, Sophiensaele, Sophienstr. 18, Mitte, Tel.: 27890030, Infos zum Rahmenprogramm im Internet unter www.sophiensaele.de