Vor dem 1. Strafsenat des Potsdamer Landgerichtes ging dieser Tage ein Prozeß zu Ende, der über das ihm zugrunde liegende Familiendrama hinaus gesellschaftliche Dimension hat. In ihm wurde der ehemalige Major der NVA-Nachrichtentruppen und zwischenzeitliche Bundeswehrhauptmann Johannes Mendisch wegen „erwiesenen, heimtückischen Mordes“ an seiner geschiedenen Ehefrau Eva M. zu zwölf Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Das Gericht nahm damit „wegen verminderter Schuldfähigkeit“ von der Höchststrafe „lebenslänglich“ Abstand“. Man habe ihm seine Gesamtsituation - „für ihn waren damals mindestens zwei Welten zusammengebrochen“ - sowie die enthemmende Wirkung des vor der Tat in großen Mengen genossenen Alkohols angerechnet, so der Vorsitzende Theodor Holzkötter.
Johannes M., das machte die zweitägige Beweisaufnahme deutlich, hatte eine makellose Offizierskarriere hinter und noch vor sich, bis ihn der Zusammenbruch der DDR, wie viele seiner Berufsgenossen allerdings mit zweijähriger Verzögerung - aus der beruflichen und privaten Bahn warf. Im August 1950 in Leipzig geboren, erlernte er den Beruf eines Schaltanlagenmonteurs, studierte dann an der Offiziershochschule in Zittau. Jahre in der Kommandozentrale der Landstreitkräfte bei Potsdam folgten, und nach der Wende übernahm die Bundeswehr den Spezialisten für geheime militärische Nachrichtenübermittlung zunächst gern, obwohl - wie M. vermutete - sie wissen mußten, daß er in dieser Funktion zwangsläufig mit dem Staatssicherheitsdienst zusammenarbeiten mußte. Nach zwei Jahren als
Bundeswehrhauptmann, in denen es fachlich nichts an dem Offizier auszusetzen gab, erhielt der Nachrichtenspezialist im Dezember 1992 seine fristlose Kündigung wegen „Stasikontakten“ und fand fortan keine andere Arbeit mehr.
Solcherart schon in seinem beruflichen Selbstbewußtsein („mein Dienst war mein Leben“) angeschlagen, kam dann auch die seit Jahren schwelende Ehekrise offen zum Ausbruch, Dabei konfrontierte Eva M. erst vor dem Scheidungsrichter ihren Mann i mit der „völlig überraschenden und niederschmetternden Wahrheit“, sie habe ihn von Anfang an gehaßt und nur wegen seines damals sehr guten Verdienstes geheiratet. Während der Scheidung, die am 30. Juni 1993 ausgesprochen wurde, wufde jedoch nicht über die gemeinsame Wohnung ent-
schieden, was sich als verhängnisvoll erweisen sollte.
So noch weiterhin auf engem Raum zusammenwohnend, verschärfte sich die Krise immer mehr. Schließlich beschloß der Ex-Offizier, sich sowie seine geschiedene Ehefrau „aus Rache für den Verrat und Treuebruch“ umzubringen, „da ja alles sinnlos geworden war“ In den Abendstunden des 4. Januar 1994 kam die seit längerem geplante Tat zur Ausführung. M. versuchte zunächst seine Ehefrau beim Telefonieren hinterrücks mit einer Sektflasche zu erschlagen und erwürgte* sie dann, beging jedoch keinen Selbstmord. Hernach versteckte er die Leiche in einem Karton auf dem Balkon und begab sich auf die Flucht in den Harz, nach Norddeutschland und Dänemark, wo er Ende Februar verhaftet wurde.
ERNST ESPACH
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/504769.nach-der-bwendel-brach-alles-zusammen.html