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Nazis beschimpfen ist Volksverhetzung

Urteil im Magdeburger Antifa-Prozeß

  • Lesedauer: 2 Min.

Auch Polizeiobermeister Henning Strauch war zur Zeugenvernehmung erschienen. Ihm hatten zwei junge Magdeburger Antifaschisten ihre Anzeige wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht und

Volksverhetzung zu verdanken. Strauch selbst zeigte sich zunächst erschrocken. Nicht Nils T hatte er erwartet, sondern jemand anderen, den er als Nils T zu kennen meinte. Wahrscheinlich hatte jemand im Polizeirevier die Karteikarten durcheinandergebracht. Zumindest war Nils T damit aus dem Schneider. Er wurde freigesprochen.

Thomas A. dagegen wurde von Strauch beschuldigt, Veranstalter einer nicht angemeldeten Demo im November 1992 nach dem Mordanschlag von Mölln gewesen zu sein. Obwohl Strauch wußte, daß sich als Demo-Organisatoren zwei andere Personen bekannt hatten. Da die aber offenbar mit ihrer Aufgabe überfordert gewesen waren, suchte sich Strauch A. aus der Menge, den er bereits kannte. Von ihm erhielt er aber keine Auskünfte, und so drohte er ihm bereits während der Demo mit einer Anzeige. Weil er sich geärgert hatte, wie er vor Gericht zugab.

„Ich habe im Zug gehört, wie jemand sagte: Jetzt kommen sie zu uns und wollen die Streckenführung wissen.' Die spürten eine Art Hochgefühl. Da können Sie sich vielleicht vorstellen, wie komisch sich ein Polizeibeamter fühlt, mit

dem das eigentlich abgesprochen werden muß.“ Das Gericht konnte Strauchs Auffassung nicht folgen, da er eindeutig geäußert hatte, daß es zwei andere Verantwortliche gegeben hatte.

Die Sprüche „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten“ und „Aufruhr, Widerstand, es gibt kein neues Großdeutschland,“ betrachtete.das Gericht nicht als Volksverhetzung. Anders als „Haut den Nazis auf die Fresse“' Hier werde, so Richter Günter Kordes, zu Gewalt und Selbstjustiz aufgerufen. Das sah Rechtsanwalt Kalek anders, der lediglich heraushörte, daß man die Straße nicht den Nazis überlassen wolle.

Thomas A. bestritt jedoch von Beginn an, diese Losung gerufen zu haben. Strauch, der sich ausgerechnet von dieser Losung persönlich beleidigt fühlte, meinte, sie von A.'s Mund abgelesen zu haben. Aber er hatte ja bereits zuvor bewiesen, wie menschlich Irren ist. Das Gericht schlug vor, das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen.

A. und sein Anwalt allerdings wollten auf Grund der politischen Brisanz ein Urteil sehen und plädierten auf Freispruch. Dazu sah sich der Richter nicht in der Lage. Er stellte gegen den Willen des Angeklagten das Verfahren ein. Mit der Konsequenz, daß der nun die Anwaltskosten zu tragen hat.

ANNETTE SCHNEIDER, Magdeburg

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