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  • Kultur
  • Kunst-Eigentum von Parteien und Massenorganisationen: Aus „treuen Händen“ an die neuen Bundesländer

Bodenvasen in die Kammer?

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In den treuen Händen des Breuel-Konzerns liegt auch eine künstlerische Manövriermasse. Die letzte Volkskammer der DDR hatte sie mit ihrem Parteiengesetz vom Sommer 1990 dorthin getan. Was an Werken der bildenden und angewandten Kunst im Eigentum der Parteien und Massenorganisationen war, sollte auf die Redlichkeit des Erwerbs geprüft werden. Die Unabhängige Kommission hat mittlerweile entschieden, daß FDGB und FDJ, SED und CDU und DFD tatsächlich eine Menge Geld ausgaben, um eine Menge Bilder und Bodenvasen für ihre Ferien- und Schulungsheime, Büros und Büroflure zu kaufen. Diese Bestände, es sind insgesamt rund 12 000 Werke, wurden seither vom Deutschen Historischen Museum in Berlin verwahrt und ansatzweise beforscht. Damit ging es ihnen besser als einigen Wandbildern, die nicht in ein Depot gerettet werden konnten.

Am Dienstag teilte nun der Treuhandsprecher Wolf Schöde mit, daß die Objekte „endgültig in die Obhut der neuen Länder übergeben“ würden. Ein entsprechender Vertrag werde noch im September geschlossen. Zu verteilen sind nach unserer Kenntnis etwa 1 700 Gemälde und rund 380 Plastiken. Die Hauptmasse bilden logischerweise druckgrafische Blätter, etwa 9 500. Auf-

? Von PETER H. FEIST

tragswerke, wie Schöde sagte, sind es nur zu einem Teil. Sehr viel wurde aus Ausstellungen und Ateliers angekauft.

Solche Dezentralisierung des Materials verbessert die Chancen für dessen sinnvolle Wiederverwendung, und das heißt für bildende Kunst: Sichtbar-Machung. Sie bringt einiges vielleicht wieder in die Region, für die es gedacht und gewollt war. Andererseits wird der Umgang mit diesem Erbe dadurch unübersichtlicher. Die Art von bislang bewiesener Urteilskompetenz mancher Landesbehörden und das eigenartige Verhalten einiger Museen zur Kunst aus der DDR geben genügend Anlaß, überall genau aufzupassen, wie man die Obhut über die Kunstwerke wahrzunehmen gedenkt. Eine behutsame Entscheidung über etwaige Veräußerungen sollte dabei keineswegs grundsätzlich kritisiert werden. Vieles ist wirklich nicht museumswürdige Erblast, und wenn ein Bild, eine Grafik irgendwo angeschaut werden kann und jemandem Freude macht, ist das allemal kunstgemäßer als die Abstellkammer. Der Erlös gehörte dann ausschließlich in die bedürftigen Kassen der Kultureinrichtungen.

Das Hauptproblem dieses Fundus ist seine Unausgewogenheit. Was der Kulturbund erwarb, unterschied sich be-

trächtlich vom Wandschmuck der GST-Trainingslager. Ausstellungen auf der Basis der Treuhandsammlung wären wohl ein Beitrag zur Geschichte der Kulturpolitik und ihrer Facetten und zum Geschmack politischer Funktionsträger. Der soll ja ein globales Problem sein. Dies mit der Kunstgeschichte der DDR gleichzusetzen, müßte gelinde gesagt unseriös genannt werden. Ein Dutzend Abgüsse beispielsweise derselben Thälmann-Büste, aus den Kreisleitungen zusammengetragen und nebeneinandergestellt, wäre natürlich ein ästhetischer Schocker, wie man ihn übrigens ganz ähnlich in postmodernen Kunstausstellungen antreffen könnte. Es würde nur gar nichts über den tatsächlichen Rang und auch gesellschaftlichen Sinn der Porträtbildhauerei in der DDR mitteilen.

Die Sicherung des zur Rede stehenden Werkbestands durch das DHM war ein lobenswerter erster Schritt. Er hat leider die Schicksale der Werke in staatlichen und kommunalen Einrichtungen und ehemaligen VEB nicht miterfaßt. Eine dankenswerterweise in einem Buch veröffentlichte, kontrovers verlaufene Tagung des DHM im Dezember 1993 über die ganze Problematik deckte die enormen Schwierigkeiten auf, die Eigentum-

lichkeiten des Kunstprozesses in der DDR zu begreifen. Vor allem Betrachter aus den alten Bundesländern erliegen leicht der Verlockung, sich mit spitzen Fingern Kuriositäten und Polit-Kitsch herauszupicken, über den die Fachleute in der DDR nur die Achsel zuckten oder sich genauso ärgerten. Eine methodisch moderne

Kunstgeschichtsschreibung wird die Existenz solcher Bilder von Anpassungsfähigen, Minderbegabten und Anfängern, die in die Treppenhäuser von Ferienheimen gelangten, nicht ignorieren. Aber als wirkliche Kunstgeschichtsschreibung beginnt sie gewissermaßen erst oberhalb solcher Ethnologie.

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