Die ungeliebte Branche

Firmen und Kommunen fürchten das Ende der Windkraftförderung - an der arbeiten SPD und CDU

  • Thomas Großmann
  • Lesedauer: ca. 6.0 Min.

Egeln ist ein kleines Börde-Städtchen in der Nähe Magdeburgs. Jeder Dritte ist hier ohne Arbeit. Doch Egeln hat etwas Besonderes. Außerhalb des Ortes steht steht die E-112, die weltweit größte und leistungsstärkste Windkraftanlage der Welt. Ein Ende der Förderung solcher Projekte, wie derzeit lautstark verlangt, würde auch kommunalen Kassen nicht gut bekommen.

Eine weite Landschaft mit sehr guten Böden. Seit einigen Jahren können hier nicht nur die Bauern auf gute Erträge hoffen. Auch die Betreiber der Windkraftanlagen »ernten« in Sachsen-Anhalt eine stattliche Menge Strom. 1100 Windmühlen drehen sich im Lande und bringen 1300 Megawatt Leistung, ein Drittel des Bedarfs von Berlin. Doch die Windkraft ist derzeit wenig populär in Deutschland. Bürgerinitiativen gegen Windkraft gibt es fast überall, Politiker von CDU und SPD bedienen den lautstarken Unmut vieler Bürger. Viele fühlen sich vom Boom der Jahre 2000 bis 2003 überrollt, wie Spargel würden die Anlagen aus dem Boden schießen, meinen die Windkraftgegner. Befürworter werden als »Spargelfreunde« tituliert.
Einige der Gegner vermissen den Anblick rauchender Schornsteine im Osten Deutschlands oder ärgern sich über zu schnelle Windpark-Planungen ohne Beteiligung der Bürger, deren Gesundheitsängste missachtend. Doch die meisten finden die Anlagen einfach nur unästhetisch. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) selbst brachte eine Halbwahrheit von angeblichen Milliarden-Subventionen für die Windkraft in Umlauf, die sich seitdem hartnäckig hält. Als würde in diesem Land irgendwas nicht subventioniert, was auch nur die vage Aussicht auf ein paar Arbeitsplätze birgt. Die Verstromung von deutscher Steinkohle kostet jedes Jahr 35 Milliarden Euro - drei Mal mehr als die Windkraftförderung.

Schneller Boom

Das vor der Verabschiedung stehende Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist das Ziel der Allianz von Windkraftgegnern. Reichlich Rückwind erhalten sie von den großen Stromkonzernen, die entweder um ihre fossile Verstromung oder die Windkraft als Konkurrenz fürchten. Seit 1999 ist gesetzlich festgelegt, dass jeder, der eine Kilowattstunde Strom aus Sonne, Wind oder Wasser ins Netz einspeist, einen höheren Betrag erhält als für Strom aus Kohle- oder Atomkraft. In den ersten fünf Jahren nach 1999 gab es für Strom aus Wind 9,10 Cent pro Kilowattstunde, danach 6,19 Cent. Finanziert wird diese Vergütung mit einer Umlage auf alle Stromabnehmer, die etwa 2 Prozent des aktuellen Strompreises ausmacht. Jedes Jahr sinkt dieser Zuschuss um 2 Prozent, Degression heißt das bei den Fachleuten.
Ziel des Gesetzes von 1999 war es, den damals noch schwachbrüstigen erneuerbaren Energien durch eine klare, zeitlich begrenzte Verdienstperspektive auf die Beine zu helfen. Zur Überraschung aller ist dies in kürzester Zeit gelungen. Aus kleinen belächelten Technologiepionieren erwuchs in nur vier Jahren eine Industriebranche. 45400 Menschen haben durch die Windenergie einen Arbeitsplatz, schätzt der »Bundesverband Windenergie« (BWE). Indirekt sind es wahrscheinlich mehr, aber keine amtliche Statistik erfasst das bislang.
Nach langwierigen Verhandlungen zwischen dem Wirtschaftsminister und seinem Dauerkontrahenten Umweltminister Jürgen Trittin wird die Neufassung des EEG derzeit im Bundestag beraten. Clement wollte vor allem die Windkraftförderung eingeschränkt wissen. Höhere Vergütungen sollen nur noch für Anlagen gezahlt werden, die sich an einem Standort mit viel Wind befinden (mindestens 65 Prozent vom Idealstandort). Nicht wenige Abgeordnete, die in ihren Wahlkreisen den Druck der Bürgerinitiativen spüren, wollen die Förderung ganz beenden.
Nicht nur für die Branche wäre dies eine Katastrophe. Auch das einstige Zentrum des Maschinenbaus im Osten, Magdeburg, ist längst von der Windmühlenfertigung abhängig. 1998 war es mit den Überresten der Schwermaschinenkombinate »Karl Liebknecht« (SKL) und »Ernst Thälmann« (SKET) endgültig vorbei. Niemand wollte die Betriebe übernehmen. Bei SKET waren von rund 13000 Mitarbeitern noch 146 übrig. Der große deutsche Windkraftanlagenbauer »Enercon« stieg 1998 ein und begann mit den ehemaligen Maschinenbauern Windkraftanlagen zu bauen. Fünf Jahre später arbeiten hier 2080 Leute an drei Standorten für Enercon. »Wir sind der größte Arbeitgeber hier«, erklärt Frank Ihme, der Niederlassungsleiter. »Magdeburg ist zu einer Stadt der Windenergie geworden«, meint der gebürtige Magdeburger mit Stolz. Denn Windstrom sei Hochtechnologie, betont er mehrfach bei einem Rundgang durch das Werk. Acht Anlagen mit ein oder zwei Megawatt Leistung verlassen Magdeburg pro Woche. Vom Schweißen der Stahltürme über das Wickeln der Spulen bis zum Formen der Rotoren - alles werde hier gemacht. »Wir bieten eine hohe Fertigungstiefe und vor allem Qualität«, betont Ihme. Schließlich drehe sich eine Windkraftanlage im Schnitt 7500 Stunden pro Jahr und das über zwei Jahrzehnte.
Vor kurzem sind in Magdeburg zwei schneeweiße E-30-Anlagen für eine Forschungsstation in der Antarktis gefertigt worden, auch unter diesen extremen Bedingungen würden seine Anlagen zuverlässig laufen, betont der Magdeburger Enercon-Chef. Die Firma habe eine stabile Entwicklung hinter sich und die Auftragslage sei sehr gut. Für das laufende Jahr sei man fast ausgebucht, neue Aufträge könnten erst für 2005 angenommen werden, bestätigt Ihme. Der Export werde wichtiger. Auch wenn es Enercon gut gehe, die Branche habe schon Probleme, meint der Ingenieur und denkt sorgenvoll an das politische Klima im Land.
Den Gegenwind bekommt die Branche deutlich zu spüren. In der Uckermark im Norden Brandenburgs zogen Windkraftgegner mit einer Wählerliste in den Kreistag ein. Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt möchte mit einer Verdoppelung der Abstandsflächen die Zahl neuer Anlagen einschränken. Und auch bei den lange als Ausweg diskutierten Offshore-Windparks an Nord- und Ostsee wächst der Widerstand. So gründeten kürzlich in Barth im Norden Mecklenburg-Vorpommerns Vertreter von Gemeinden, Landkreisen, Verbänden und Initativen ein Aktionsbündnis gegen eine geplante Anlage vor der Küste des Darß.
Die Verzweiflung der Branche wächst offenbar. BWE-Präsident Peter Ahmels erklärte jüngst sogar angesichts der gesicherten heimischen Arbeitsplätze, »Klimaschutz ist praktizierter Patriotismus«. Als ob das die Gegner erneuerbarer Energien beeindrucken würde.

Volle Auftragsbücher

Nicht weit entfernt vom Enercon-Werk, auf dem ehemaligen SKL-Gelände, befindet sich die Eisengießerei Magdeburg. 1999 übernahm ein norwegischer Investor den Betrieb aus der Insolvenz heraus. Wilhelm Lange ist der neue Geschäftsführer, ein Mann mit Charme und sprühender Begeisterung für das Gießen. Lange nutzte die langjährige Erfahrung der rund 100 Mitarbeiter und richtete die Gießerei neu aus: auf Teile für Motoren, Werkzeugmaschinen und Windkraftanlagen. Seine Mitarbeiter und er hätten lange gebraucht, bis sie die richtige Mischung raus hatten, aber jetzt garantiere er für die Qualität, die Belastbarkeit und Witterungsbeständigkeit seiner tonnenschweren Teile. Auch seine Auftragsbücher seien voll, sagt Lange, 90 Prozent aller Aufträge sind von Vestas, der Nummer 2 im deutschen Windmühlenmarkt. »Wenn alles gut geht, werden wir dieses Jahr trotz der laufenden Investitionen die Gewinnzone erreichen«, so der Geschäftsführer. »Ich finde es gut, dass die Windkraftförderung eine Degression enthält«, meint Lange. So sei auch er zu Verbesserungen an den Gussteilen gezwungen. Das sei »technologische Förderung, die auch für andere Produkte Verbesserungen bringt«, betont Lange.
Doch der ganze Stolz der Windkraftbranche steht in einem Windpark bei Egeln. E-112 wird der 4,5 Megawatt Koloss genannt. 4250 Vierpersonenhaushalte versorgt er mit Strom, vier Mal mehr Menschen, als Egeln Einwohner hat. 2002 wurde der Prototyp der weltweit stärksten und mit 124 Meter bis zur Nabe höchsten Anlage hier aufgebaut. Ein zweiter Prototyp wird sich bald in der Nähe von Emden drehen. Ab und zu kommen Besucher nach Egeln, um sich die Anlage anzuschauen. 1998 hatte die Stadt das Windeignungsgebiet in ihrer Nähe akzeptiert, dies taten nicht alle Kommunen hier. Die Firma »Volkswind« kam daraufhin in die Stadt, baute einen Windpark mit 28 Anlagen und sanierte eine historische Villa als künftigen Firmensitz. Die sechs Arbeitsplätze seien aus Sicht von Egeln »verdammt viel«, meint Stadtrat Reinhard Luckner. Die Stadt lebt seit dem von den Gewerbesteuern von »Volkswind«, anderes Gewerbe gebe es hier nicht mehr. Ohne Windkraft müssten Bibliothek und Jugendclub schließen. In der Stadt sei niemand ernsthaft gegen Windkraft, so Luckner. Mittlerweile werde die weithin sichtbare, sich langsam drehende...

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