nd-aktuell.de / 15.10.1994 / Politik / Seite 5

Alles Eigentum ist gleich, Alteigentum ist gleicher

Berliner Vermögenskongreß war wieder Forum der Verunglimpfung ostdeutscher Nutzer Von ROSIBLASCHKE

Gesetz und Recht sind in diesem Staat zwei verschiedene Schuhe. Der 2. Berliner Kongreß zur Regelung offener Vermögensfragen war für zwei Tage eine Lehrveranstaltung dafür, wie mit Hilfe des Rechts die Gesetze zum Schuld- und zum Sachenrecht sowie zur Entschädigung un d ; ,,Aus. T ,. gleichsleistung ausgehöhlt und ausgehebelt „werden. Das ,ße-, schäftigungsprogramm für Rechtsgelehrte wurde Punkt für Punkt ausgearbeitet. Es geht um die Verteidigung des Eigentums „als Garantie für die Verwirklichung der Freiheit“ doch nur des Eigentums der Altbesitzer an Grund und Boden. Was sich Ostdeutsche in 40 Jahren darauf an Haus und Hof geschaffen haben, zählt nicht und war kaum eines Wortes wert.

Mit den Gesetzen zu Schuldund Sachenrecht sind wenigstens in Ansätzen sozialverträgliche Lösungen vorgelegt worden. Die Vertreter der An-

walt- und Richterschaft auf diesem Kongreß riefen jedoch unentwegt dazu auf, vor die Zivilgerichte zu ziehen, um den Nutzern - zumeist „Bonzen“ den Boden unter den Füßen zu entziehen. Damit kann in allen Eigentumsauseinandersetzungen, ob es um Wochenendgrundstücke, Eigenheime, Wohnblocks oder Bodenreformland .geht; mit dem Anrol* * len der Prozeßlawine: gerechnet werden. Mit Rechtsmitteln gelinkt - die Zukunft Hunderttausender

Der Verfassungsrechtler Rupert Scholz (CDU) sieht im Schuldrechtsänderungsgesetz, in seinem Kündigungsschutz für die Nutzer eine Verletzung der Eigentumsgarantie durch Artikel 14 des Grundgesetzes, „ein Übermaß an Beschränkung der Position des Eigentums“ Er habe deswegen dem Gesetz im Bundestag auch nicht seine Stimme gegeben. Kein einziges Wort zum schützenswerten Eigentum der Nutzer, die oftmals blanke Wiesen, Müllkippen oder verwahrloste

Grundstücke mit ihrer Arbeit aufwerteten. Wie steht es hier um den Gleichheitsgrundsatz?

Scholz nannte als Alternative für das Vorgehen gegen das Gesetz: Entweder der Gesetzgeber ändert es oder es bleibt nur der Weg nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht - „ich warte ab“ Scholz scheute sich nicht einmal vor abwertenden' Bemerkungen über den Bundespräsidenten und Ex-Verfa'ssungsrichter Roman Herzog, der, wenn auch spät, die Eigentumsgesetze unterschrieb. Und Rechtsanwalt Gunnar Schnabel warf der Bundesjustizministerin vor, daß Gesetz in der jetzigen Fassung nur verabschiedet zu haben, um vor der Wahl ostdeutsche Stimmen zu fangen.

Mit juristischen Tricks will Rechtsanwalt Jost von Trott zu Solz die Bodenreform aushebeln. Für ihn ist die durch das Verfassungsgerichtsurteil von 1991 längst entschiedene Frage noch offen. Und er beruft sich auch in diesem Fall auf weiterhin anhängige Be-

schwerden. Es grenzt schon ans Groteske, wenn er als Beweis für das ganze Unrecht der Bodenreform den 90-Hektar-Bauern, unter Hitler eingekerkertes SPD-Mitglied, ausgrub, der enteignet und als Gegner der Parteienvereinigung aus dem Dorf gejagt werden wurde. Das hätten doch wohl auch die Russen nicht gewollt.

Wenn es diesen Fall je gegeben hat, dann war es in der Tat Unrecht; das nach Wie: dergutmachung ruft. Warum aber verschweigt Herr von Trott zu Solz die Zigtausenden anderen „Fälle“, wo mit der Enteignung von Naziaktivisten, ja, Kriegsverbrechern Mitschuld am schlimmsten deutschen Unrecht gesühnt wurde. Stattdessen beschwört er die „Betroffenen“, die zivilrechtlichen Hauptstraßen, Wege und Trampelpfade zu gehen - bis hin zum Widerruf von Verwaltungsakten von 1947

Der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maiziere wies den Versammelten akribisch nach, daß ohne die Unantast-

barkeit der Bodenreform die deutsche Vereinigung nicht zustande gekommen wäre. Weder Koalitionsregierung, Einigungsvertrag noch Beitritt der DDR zur BRD hätten mit Offenlassen dieser Frage eine Mehrheit bei den DDR-Bürgern gefunden. Zugleich wandte er sich dagegen, daß die Sowjetunion die Festschreibung der Bodenreform nicht zur Bedingung für die Zustimmung der, Einheit gemacht>habe. Michail Gorbatschow habe noch am 29 April 1994 in einem Gespräch mit ihm betont, daß diese Frage nicht zur Disposition stünde. „Hier geht das Erinnerungsvermögen von mir und Gorbatschow offensichtlich auseinander,“ sagte er.

Leider waren die ostdeutschen Nutzer und Eigentümer von Haus, Hof und Grundstück nicht durch ihre Vereine vertreten. Ein Manko, das auch nicht mit dem zu hohen Preis für den Kongreß zu begründen ist. Ein Spendenaufruf hätte mehr als einem Vertreter die Teilnahme ermöglicht.

t4g4lpb^gehe^4|pjß aus^die PDS Schafft e's trotzdem, und dies wäre eine wirkliche historische Leistung. Es würde beweisen, daß Menschen nur begrenzt manipulierbar sind.“

Gysi verweist ferner darauf, daß Frau Bohley schon bei der Verhandlung vorm OLG Hamburg, das ihr erneut verbot, Gysi als „Stasi-Spitzel“ zu bezeichnen, neue Unterlagen angekündigt hatte. Offenbar wollte man gleich nach dem verlorenen Prozeß „eine neue Kampagne starten“

Katja Havemann besitze seit 1991 sämtliche Unterlagen der Stasi-Akte ihres verstorbenen

Ehemannes, entscheide aber, „wann sie welche Unterlagen an die Öffentlichkeit gibt, um termingerecht - jetzt zum Beispiel vor den Bundestagswahlen - neue Kampagnen lostreten zu können. So etwas nenne ich Mißbrauch.“

Gysi wirtt Frau Havemann vor, daß sie ihm nie die Akte komplett zur Stellungnahme zur Verfügung stellte. Frau Bohley habe vor Gericht nicht einmal vor versuchtem Prozeßbetrug zurückgeschreckt, imtem i sie i einen Vermerk

Mitarbeiters des DDR-Justizifliftisteriums als“ den'-eines MfS-Mitarbeiters deklarierte.

dpa habe trotz gegenteiliger Information durch Gysi fälschlicherweise gemeldet, daß Frau Bohley ihm persönlich anvertraute Unterlagen in ihrer Stasi-Akte gefunden habe. Der Spiegel, der eine Veröffentlichung am Montag über neue Dokumente ankündigte, habe seiner Bitte, ihm die Unterlagen zu faxen, nicht entsprochen, teilt Gysi mit. Er habe diesbezüglich „nicht von einer .unklaren Aktenlage' gesprochen“ Es habe „keine Tätigkeit durch mich für die Staatssicherheit“ gegeben.