nd-aktuell.de / 07.04.2004 / Kultur
Ekstatische Hingabe
Vor 100 Jahren wurde der Maler Curt Querner geboren
Gert Claußnitzer
Es waren stets Grundfragen menschlicher Selbstverwirklichung, die den Maler Curt Querner beherrschten. Darüber geben ganz unmissverständlich seine zahlreichen Selbstbildnisse Auskunft. Höhen und Tiefen seines Lebens lassen sich an diesen Bildern ablesen. »Selbstbefragungen«, aus denen Aufrichtigkeit spricht. Querner war überzeugt, dass einige solcher Porträts ihn überdauern würden, das »Selbstbildnis mit Brennnessel« von 1933 zum Beispiel, das sich in der Berliner Nationalgalerie befindet. Man hat das Werk als ein politischen Bekenntnisbild verstanden, als eine Antwort auf die ersten faschistischen Gewaltakte, gemalt zu einer Zeit, da braune Mordkolonnen durch Dresdens Straßen zogen und der Reichstag brannte.
Der Gestus der Wahrheit geht auf Dürer zurück, wie uns Querner bestätigte. Er verknüpfte ihn mit provokativen Gedanken. Das kennzeichnet auch andere Bilder in dieser frühen Schaffensphase, wie die »Demonstration«, auch »Straßenbild« genannt, das gleichfalls der Nationalgalerie gehört. Dieses Fragment eines größeren Bildes zeigt auch ein Selbstbildnis. Der Künstler mit geballter Faust an der Seite seines Schwagers, des Malers Willi Dodel, in einem Demonstrationszug. Da, wo jetzt eine Fahne weht, war ein Bild Rosa Luxemburgs, das auf Anregung des Malerfreundes Otto Griebel übermalt wurde, da es ihm zu idealistisch erschien. Der Wille zur Aktion und zum Kampf trieb den Künstler voran, in der Kommunistischen Partei, der er beigetreten war, und dann in der ASSO, wo er agitierte und demonstrierte und aufrüttelnde Bilder malte.
Auch in Bauerndarstellungen der 30er Jahre fand Querner den Mut, alles auszusprechen, was er über die soziale Lage auf dem Lande wusste. Die proletarisierten Kleinbauern des Dorfes Börnchen im Osterzgebirge boten ihm unerschöpfliche Motive. Das »Bauernbild« von 1933 (Halle, Galerie Moritzburg) und das Bild »Die Säer« von 1934 (Magdeburg, Kulturhistorisches Museum) wurden zu Sinnbildern für die harte Arbeit auf dem Lande. Da ist nichts von ländlicher Idylle, keine poetische Harmonie. Schließlich hatte Querner, der Sohn eines Dorfschuhmachers, die Verelendung der Dörfler hautnah miterlebt. Angesichts der zahlreichen Aquarelle, die der Künstler von Bauern, Tagelöhnern, Bauernkindern schuf, muss man geradezu von einer ekstatischen Hingabe an das Geschöpfliche sprechen. Hellmuth Heinz, der erste Biograf Querners, bezeichnete die porträtierten Landkinder einmal treffend als »Wurzelgeschöpfe der Scholle«. Diese mit ernster Zuneigung gemalten Figuren stehen im Zentrum des frühen Schaffens von Querner und reflektieren wohl am eindringlichsten seine Menschlichkeit. Es gehört zu den Versäumnissen der deutschen Kunstgeschichte dass man jahrzehntelang das nicht unbeträchtliche Werk in der Kunstbetrachtung der 20er und 30er Jahre ausgeblendet hatte. Erst als 1968 im Dresdner Verlag der Kunst die erste Monographie über Querner erschien, trat er schlagartig ins Rampenlicht. Der Künstler war damals bereits 64 Jahre alt und lebte noch immer in der ländlichen Abgeschiedenheit seines Dorfes Börnchen, in dem er zur Welt gekommen war. Der »Bauern-Querner«, wie man ihn vielfach nannte, wurde als einer der führenden Vertreter der proletarisch-revolutionären Kunst wiederentdeckt.
Längst ist das Werk Querners im Zusammenhang mit vergleichbaren Äußerungen der Kunstgeschichte gewürdigt worden, so auch im Kontext zur Neuen Sachlichkeit, des Verismus und zu Dix. Seine Malerei trug früh schon unverkennbare Züge einer eigenen Handschrift, und er war mithin nicht so ohne weiteres in ein Schema einzuordnen. Otto Pankoks Beschreibung: »Schwierigkeit der künstlerischen Existenz heißt: außerhalb von Vorschriften und Konventionen sein Werk schaffen.« kann man ohne weiteres auf Querner beziehen. In besonderem Maße wohl auf das künstlerische Schaffen nach dem Kriege, nach der Heimkehr aus dem »Gefangenen-Golgatha« in sein Elternhaus in Börnchen, nachdem er feststellen musste, dass Wohnung und Atelier in Dresden ausgebombt waren. Nunmehr entstand ein großartiges Aquarellwerk, leidenschaftliche Erregung lodert aus diesen Wasserfarbenbildern! Anfangs war es noch Tonmalerei, später geschah alles im Sinne einer großzügigen Vereinfachung. Querner blieb auch in seinen Landschaften der Erde verhaftet, dem ewigen Stirb und Werde der Natur, in seiner ganz konkreten Kunst.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/51419.ekstatische-hingabe.html